Armin Schanz Art

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Beschreibung meiner künstlerischen Arbeit

von Armin Schanz

Meine gestalterische Arbeit hat zwei hervorstechende 'Konstitutive, zum einen der Ausschnittcharakter, der für alle Bilder typisch ist und mehr oder weniger stark ausgeprägt sein kann, zum anderen die paroxysmal meditativen Trancezustände und der daraus resultierende sensitive Inspirationsgedanke, dem ich die absolute Priorität gebe. Diese beiden Merkmale bilden auch die Eckpfeiler des von mir entwickelten Stils, den ich Sensitivismus nenne, wie in meinem Mani­fest von 1982 definiert. Der Sensitivismus setzt Empfindungen in Sichtbares um, er will tiefere, latente Schichten des Bewusstseins freilegen. Die Quelle, aus der ich hierbei schöpfe, ist der Zustand der Trance. Ich spreche daher auch vom sensitiven Inspir­ationsgedanken, weil gerade die Erlangung desselben für den Inhalt meiner Bilder von entscheidender Bedeutung ist, man kann daher schlecht von einer eher spontanen Bildidee sprechen. Die meditativen Trancezustände können in ihrem Verlauf Anfallsweise auftreten, werden anfangs jedoch bewusst gesucht und möglichst gesteuert, was mit Ausnahmen meist gelingt, wobei jedoch auch die freie Eskalation der meditativen Trance von besonderem Reiz für mich ist. DieseTrancezustände, die ich wegen ihren Anfallshaften Eigenschaften paroxysmal nenne, sind in der Regel konsekutiv und anhaltend, i.e. der Zustand der besonderst gesteigerten Reizempfindlichkeit und die zeitweise eintretenden Zustände, bei denen sich die Trance und die Meditation vereinigen, hält über Tage hinweg an. In dieser Zeit befinde ich mich in einer extravertierten, übersensitivierten Verfassung, bei der androgyne Transzendenzen vorherrschen, mit dem Ziel der völligen Kontemplation. Die dabei entdeckten und frei­gelegten Empfindungen durchlebe ich selbst sehr intensiv und arbeite sie aus. Unter anderem mache ich Fotografien von mir selbst, die mir später zur Gedankenauffrischung dienen, in meinen Bildern

 

(Collagen) Verwendung finden und auch zu eigenständigen Kunst­werken avancieren. In meinen Bildern versuche ich dann das in der meditativen Trance bzw. der Kontemplation Erlebte, die laten­ten Empfindungen, darzustellen. Sehr häufig lege ich hierbei die Priorität darauf, die androgynen Empfindungen zu zeigen, die im Zustand der Kontemplation bei mir vehement ausgeprägt sind. Androgyn verstehe ich im klassischen Sinn, als Wiederherstellung einer ursprünglichen Einheit. Es kommt mir nicht auf eine vorder­gründige Scheinzwittrigkeit an, sondern auf die Fähigkeit die weibliche und die männliche Empfindungswelt in einer Person zu vereinigen, transzendale Empfindungen, zu erlangen, die völlig losgelöst sind von geschlechtsspezifischen Barrieren, die wie ein Filter bestimmte Gefühle, Reize und Eindrücke absorbieren. In diesem klassischen Sinn bezeichne ich mich während des geistige Entstehungsprozesses meiner Bilder als Hermaphroditen, der in der Kontemplation versucht bis an die Grenzen seiner Empfindungswelt vorzustoßen. Meine gestalterische Arbeit ist daher eine vehemente Auseinandersetzung mit dieser Problematik, wobei ich den Sensus dieser Auseinandersetzung in der sensitivistischen Gedankener­weiterung sehe, einer Konspiration der latenten Emotionen gegen ihre Unterdrückung. Aus dem Gesagten ergibt sich fast zwangsläufig, dass ich fast nur mit Selbstbildnissen arbeite, da das direkte psychische und physische Einfließen der Künstlerpersönlichkeit in das Bildwerk für mein Kunstverständnis besonders wichtig ist, wobei das physische Element bei den Arbeiten, die ich direkt mit dem eigenen nackten Körper male,am ausgeprägtesten ist (Performance). Die hierbei entstehenden männlichen Akte beruhen, trotz ihrer teilweise provozierenden Deutlichkeit, nicht auf einer patriarchalischen Selbstdarstellungen, oder einem übertriebenen Narzissmus, sondern stellen Momentaufnahmen einer kontemplativen Durchforschung der eigenen Psyche dar. Dies bleibt nicht nur eine persönliche Angelegenheit, sondern mein Hauptanliegen ist es, dem Betrachter meiner Bilder die Möglichkeit zu eröffnen, über das Dargestellte hinaus kreative Vorgänge freizusetzen und eigene latente Empfin­dungen zu erkennen. Der Betrachter soll sich selbst in den Bildern erkennen und sein Mundus sensibilis soll angeregt werden.

 

Die sensitivistische Methode ist nicht auf eine bestimmte Mal­weise festgelegt. Es kommt nicht darauf an wie man malt, oder etwas tut, sondern auf die daraus resultierende Befreiung eines latenten Gefühls. Der Sensitivismus beschränkt sich daher keines­wegs nur auf die Malerei, er ist auf alle gestaltenden und darstel­lenden Bereiche anwendbar, auf die unterschiedlichsten Handlungen, ja sogar das Wasserlassen kann zu einem sensitivistischen Akt werden. Und wenn ich mir etwa die Augen anmale, geschieht dies aus einem sensitivistischen Ritual heraus. Der sensitivistische Künstler arbeitet nach dem Prinzip des Gesamtkunstwerks, nur die völlige Integration in das sensitivistische Werk kann zur Kontemplation führen und somit die sensitivistischen Gedanken erst mög­lich machen. Wie Yves Tanguy seinerzeit lebendige Fliegen verspeiste um das Bürgertum zu schockieren, so male ich mir die Lippen rot an. Ich könnte natürlich auch lebendige Fliegen verspeisen, aber dasWanzenblut des Lippenstifts schmeckt mir besser.

"Der Sensitivismus ist die Revolution der Gedankengänge, meditative Ausgeburt einer Inspirationsschwemme paroxysmal sensitiver Gedanken. Die malerische Interpretation der Inspirationsgedanken ist darge­stellte, sichtbargemachte Poesie. Es lässt sich somit sagen, sensi­tivistische Gedanken erhält man durch meditative Trancezustände. Diese Gedanken können in materialisierter Poesie ejakulieren." (Manifest des Sensitivismus, 1982)

Februar 1986

 

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