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DIE ANDROGYN TRANSZENDALEN ANTIPODEN DES SENSITIVISMUS

Von Armin Schanz

Ich strahlte wie ein bebender Schiffsmast, stattlich wie eine Theaterkutsche, getrieben durch Donnerwolken, Feuerspiele, Meere von Impulsen, Energiebündel, die pulsierten wie der kräftige Bu­sen einer jungen Frau, die eine Möwe gefangen hat. Zwei gelbe Negeraugen suchten die versagende Hand ab, und eine Gruppe von Schauspielern, wildernd und klingelnd, scherzten in ihrer purzeln­den Art. Mit den Schauspielern spielte ausgelassen ein kleiner Junge, verliebt in seine eigenen Empfindungen, rief er ständig seinen Namen aus. Schrill und laut drang seine Stimme an meine Ohren und betörte sie. Wie von flinken Peitschen angetrieben eilte sie mein Rückgrat rauf und runter. Junge Rehböcke warben um die scheue, zarte Schützenkönigin, die Schwester der Seemöwen, einsam und doch wissend. Ich sah das Funkeln in ihren Augen, und mein Atem hauchte Herbst. Sie bändigten ihren stolzen Frauengang, Pferdehaare, Fleisch, zerrissene Haferröcke, ich sah mich selbst als Frau, war verrückt nach meinem süßen Atem, total verrückt nach meinem, flachen Atem, stolz auf meinen stolzen, hohen Gang. Und ich sah Beine, azurn und geädert, gefiedert wie eine weinende Nacht,, und Schmückfederhüte ...

Der ein oder andere Leser ist vielleicht jetzt

schon ins Träumen geraten, manch einer fragt sich aber bestimmt, was soll denn das, was erzählt der uns denn da eigentlich? Der Träumende hat das Wesen des Sensitivismus jetzt schon begriffen, der Fragende jedoch gehört zu jenen, die alles genau wissen wollen, die für alles eine Erklärung brauchen, die selbst für das Transzendale noch eine Erklärung fordern, ja sogar für die Antipoden der Psyche. Denen sei hier ein für allemal gesagt (also Ohren auf!): der Sensitivismus erscheint einer einsamen Weinbergschnecke befreiend wie das zerstreuende Summen einer Stubenfliege und einer Stuben­fliege betörend wie der eigene Tod. Noch deutlicher? Das heißt, dass ich bei dem oben geschilderten kontemplativen Erlebnis, das

 

war es nämlich, ein kontemplatives Erlebnis, bis an die Grenzen meines eigenen Seins, die Antipoden der Psyche, vorgedrungen bin. Das ist dann, wenn man an einem Abgrund steht und das ganze Leben vor einem liegt, die ganzen inneren Empfindungen weit ausgebreitet vor einem liegen und man nur hineinzuspringen braucht, wie in einen sprudelnden Brunnen, erfrischend, worin man sich laben kann und kniehoch in seinen eigenen Empfindungen herumwaten. Oder noch deutlicher: Der Sensitivismus überwindet die Absorptions-Filter des menschlichen Gehirns und dringt in die Antipoden der Psyche vor wie ein Polarforscher, dabei fördert er geheime, latente Empfindungen zu Tage. Diese Antipoden trägt jeder Mensch sein ganzes Leben mit sich herum, nur viele sehen sie nie. Wer jedoch von sich behauptet keine latenten Empfindungen zu haben, der nimmt besser ein Telefonbuch zur Hand, als etwas über den Sensitivismus zu lesen. Dieses zu Anfang geschilderte Erlebnis war für die Entwicklung des Sensitivismus von immenser Bedeutung, die ganze Tragweite der

sensitivistischsn Meditations- Trance wurde plötzlich erkennbar. Eine Inspirationsschwemme, einer Offenbarung gleich ergoss sich über mich, eine Orgie an Inspirationsgedanken, ejakulierende Poesie, die in wahren Reizüberflutungen gipfelte, sodass ich mir der großartigen Erlebniswelt meiner Antipoden und Empfindungen bewusst wurde. Diese Erkenntnis war so tiefgreifend, dass ich fast aus dem Fenster gesprungen wäre. Ja, ich wäre fast aus dem Fenster gesprungen! Wer noch niemals den Gedanken hatte aus dem Fenster zu springen, nicht in Suizidabsicht, sondern einfach so, des puren Erlebnises wegen, der gehört zu jenen, die eines Tages, vielleicht beim Fensterputzen, einfach Abstürzen und auf das Pflaster klatschen, ohne zu ihren Antipoden vorgedrungen zu sein.

Der Tatsache, dass ich nicht gesprungen bin, verdanke ich die Entdeckung meiner androgyn transzendalen Antipoden, das Erkennen und Verstehen meiner transzendalen Hermaphroditität. Durch meine androgyn kritische Methode kann ich Bilder malen, die völlig frei sind von einer ge­schlechtsspezifischen Betrachtungsweise. Ich male mit den Gefühlen einer Frau und mit den Gefühlen eines Mannes, die in stetem Wechsel, meist jedoch in einer Einheit, in mir dominieren. So ist es möglich Bilder zu malen, die weder ein Mann, noch eine Frau so hätte malen können, und die bei männlichen und weiblichen Betrachtern die unter­schiedlichsten Empfindungen hervorrufen. Diese androgyn kritische Methode ist der eigentliche Motor für meine sensitivistischen Inspirationsgedanken.

Androgyn sein, in der ursprünglichen Einheit des Männlichen und des Weiblichen zu leben, ist eine Bereicherung der eigenen Erlebniswelt, und dieser Wunsch ist latent in fast jedem Menschen vorhanden, ob er es zugeben will oder nicht. Durch meine sensitiven, meditativen Trancezustände habe ich mein eigenes latentes Geschlecht entdeckt und eine einzigartige Anabolie und Gefühlsbereicherung erfahren.

SSNSITIVISMUS: Kontemplative Darstellung androgyn transzendaler

Antipoden der Psyche konstituiert auf der Auctoritas des Künstlers.

 

KONTEMPLATION:  Absolute Bewusstseinswahrnehmung unter Zerstörung

sämtlicher psychischer Reduktionsmechanismen, jen­seits jeder ästhetischer und ethischer Überlegungen.

März 1986

 

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