Schriftstücke von Armin Schanz

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(c) Copyright Armin Schanz 1982 fff 

Manifest des Sensitivismus, Armin Schanz 1982

Armin Schanz: Manifest des Sensitivismus, 1982; Auszüge

DER SENSITIVISMUS ist eine Revolution der Gedankengänge, meditative Ausgeburt einer Inspirationsschwemme,paroxysmaler sensitiver Inspirationsgedanken. Die malerische Interpre­tation des Inspirationsgedankens ist dargestellte, sichtbargemachte Poesie. Es läßt sich somit sagen, sensitivistische Gedanken erhält man durch paroxysmal meditative Trancezustände. Diese Gedanken können in materialisierter Poesie ejakulieren.

Ein entscheidendes Merkmal des Sensitivismus ist der Ausschnitt­charakter. Wir nehmen immer nur einen bestimmten Ausschnitt unserer Umwelt, die uns als Realität erscheint, wahr. Manche Dinge sind verdeckt, andere liegen nicht in unserem Blick­winkel oder lassen sich aus anderen Gründen nicht mit unseren Sinnesorganen erfassen und gehen somit für unsere Wahrnehmung verloren. (...) Der Maler hält vor seinem geistigen Auge einen Bildträger (...) vor die Realität. Der Teil der Realität, der sich hinter dem Bildträger befindet ist nun verdeckt, er hat sich dem realen Auge entzogen, gerade aber diesen Teil macht der Maler nun auf dem Bildträger sichtbar. (...) Den Rest kennt nur der Maler, der spätere Betrachter jedoch nicht, er muß sich diesen Teil aus dem Fragment rekonstruieren, was gleichzeitig die eigene Kreativität des Betrachters an­regt. De facto wird der Blickwinkel des Betrachters reduziert (...) der Blickwinkel seines geistigen Auges jedoch erweitert. (...) Das Wesentliche des Bildes soll unmittelbar auf den ersten Blick erkennbar sein, es soll konfrontieren und auf die tieferliegende Poesie hinweisen, die nicht zwischen zu vielen Details versteckt sein darf. Nur so kann der Geist des Bildes zu seiner vollen Blüte reifen. (...) Das Sujet ist hypernaturalistisch, es werden übernatürliche Beziehungen, Begebenheiten, Erscheinungen und Erfindungen dargestellt. (...) Ausschlaggebend für das Sujet ist der Inspiratiosgedanke. Die Farben eines sensitivistischen Bildes sind mehr auf ge­brochene Töne konzentriert. (...) Diese für ein sensitivistisches Bild entscheidenden Kriterien lassen sich auch auf nahezu alle künstlerischen Bereiche übertragen, wie die Bildhauerei, die Fotografie oder die Literatur. Der Sensitivismus ist nicht nur eine Revolution der Gedanken, sondern auch der Sehweise, ein radikales Aufbäumen gegen alte Sehgewohnheiten und gegen die Loslösung von dem durch die Natur festgelegten Ausgangs­punkt für alle künstlerischen Tätigkeiten. Der Sensitivismus ist eine sozial ökologische Rebellion - in der Kunst. Er benutzt den Kopf wie einen Revolver und den Geist wie eine goldene Katze, die eine Revolution hervorruft und die man in seinem Schlafzimmer hält, und dabei scheint er so unschuldig wie ein ägyptischer Rubin. Schein weiter!

 

 

Beschreibung meiner Kunst anhand dreier Werkbeispiele, Armin Schanz 1985

Beschreibung meiner Kunst anhand dreier Werkbeispiele

Meine gestalterische Arbeit hat zwei hervorstechende Konstitutive, zum einen der Ausschnittcharakter, der für alle Bilder typisch ist und mehr oder weniger stark ausgeprägt sein kann, zum anderen der Inspirationsgedanke, dem ich die absolute Priorität gebe.  Ich spreche von Inspirationsgedanke, weil gerade die Erlangung desselben für den Inhalt der Bilder von entscheidender Bedeutung ist, man kann daher schlecht von einer doch eher spontanen Bildidee sprechen. Den Inspiraticnsgedanken erhalte ich in meditativen Trancezuständen, die in ihrem Verlauf anfallsweise auftreten können, anfangs jedoch bewußt gesucht und möglichst gesteuert werden, was mit Aus­nahmen meist gelingt, wobei jedoch auch, die freie Eskalation der meditativen Trance von besonderem Reiz ist. Diese Trancezustände, die ich wegen ihren anfallshaften Eigenschaften paroxysmal nenne, sind in der Regel konsekutiv und anhaltend, i.e. der Zustand der besonderst gesteigerten Reizempfindlichkeit und die zeitweise ein­tretenden Zustände, bei denen sich die Trance und die Meditation vereinigen, hält über Tage hinweg an. In dieser Zeit befinde ich mich in einer extravertierten, übersensitivierten Verfassung, bei der andrögyne Transzendenzen vorherrschen, mit dem Ziel der völligen Kontemplation. Die dabei entdeckten und freigelegten latenten Empfindungen durchlebe ich dabei selbst und arbeite sie aus, dabei mache ich Fotografien von mir selbst, die mir später zur Gedanken­auffrischung dienen ,in meinen Bildern (Collagen) Verwendung finden und auch zu eigenständigen Kunstwerken avancieren. In meinen Bildern versuche ich dann das in der meditativen Trance bzw. der Kontempla­tion Erlebte, die latenten Empfindungen darzustellen.

Das Bild "The Androgyn Sensitivisme" zeigt die androgynen Transzen­denzen meiner übersensitivierten Zustände besonderst deutlich. Insbe­sondere auch deshalb weil jene Fotos darin Verwendung gefunden haben, die ich während der meditativen Trance bzw. der Verarbeitung des Inspirationsgedankens von mir selbst gemacht habe. Mit den Fotos,

dem nach dem Inspirationsgedanken Gezeichneten bzw. Gemalten und mit Gegenständen, die mich während der Inspirationsphase gereizt haben, bildet dieses Bild für mich eine besondere Einheit, da drei verschiedene Teile der Inspiration miteinander kommunizieren. Diese Einheit ist durchaus Ausdruck meiner eigenen Persönlichkeit.

Das Bild "The Androgyn Senses Of Armin Schanz" versteht sich in derselben Einheit, Inspiraticnsgedanke und Ausarbeitung desselben bilden die Grundlage, woobei ich die Priorität darauf gelebt habe die androgynen Empfindungen zu zeigen, die während der Kontemplation auftreten können. Androgyn verstehe ich dabei, in klassischen Sinn, als Wiederherstellung einer ursprünglichen Einheit. Dabei kommt es mir nicht unbedingt auf eine Zwittrigkeit an, sondern auf die Fähig­keit die weibliche und männliche Empfindungswelt in einer Person zu vereinigen, transzendale Empfindungen zu erlangen, die völlig losgelöst sind von geschlechtsspezifischen Barrieren, die wie ein Filter bestimmte Gefühle, Reize und Eindrücke absorbieren. In diesem klassischem Sinn bezeichne ich nich während des geistischen Ent­stehungsprozesses meiner Bilder als Hermaphrodit, der in der Kon­templation versucht bis an die Grenzen seiner Empfindungswelt vorzu­stoßen. Das vorliegende Bild reflektiert einen Teil des Spektrums der vehementen Auseinandersetzung mit dieser Problematik, wobei ich den Sensus dieser Auseinandersetzung in der sensitivistischen Gedankenerweiterung sehe, einer Konspiration der latenten Emotionen gegen ihre Unterdrückung.

Wie in den beschriebenen Bildern auch zu sehen ist greifen die in der Transzendenz erlebten Erfahrungen sowohl in den psychischen als auch in den physischen Bereich ein. In meiner gestalterischen Arbeit findet der Mundus sensibilis und der Mundus intelligibilis für mich eine Erweiterung.

Das Bild "The Truth Is Like A Stranger" ist die zeichnerische Um­setzung einer während der meditativen Trance gemachten Empfindung, die völlige Auflösung in der androgynen Transzendenz, die Verschmel­zung zu einer Einheit. Die dargestellte Person hat sich von den

geschlechtsspezifischen Barrieren befreit uad ist aufgegangen in der androgynen Empfindungswelt. Man vermag schwerlich zu entscheiden zu welcher Geschlechtsgruppe die Person ursprünglich gehörte, ohne daß jedoch eine Zwittrigkeit aufkommt. Wozu auch der Ausschnitt­charakter beiträgt. Durch den Ausschnittcharakter ist es wiederum möglich der Phantasie des Betrachters einen breiten Raum einzuräumen, und obwohl die Entstehung der Bilder zuweilen sehr persönlich sein kann, ist dem Betrachter dennoch die Möglichkeit gegeben eigene latente Empfindungen zu erkennen. Den Betrachter zu aninieren seine eigenen Empfindungen auch zu respektieren ist ein Hauptanliegen meiner künstlerischen Arbeit.

 

Juni 1985

Künstlerportrait Armin Schanz, 1988

Künstlerportrait                                      Armin Schanz

1960 geboren in Mannheim 1974 Beginn einer intensiven Auseinan­dersetzung mit der Malerei und einer autodidaktischen Ausbildung 1981 Abitur; erste Einzelausstellung

in Mannheim

1982 werksprägender Aufenthalt in der Kunststadt Amsterdam; Beginn des Studiums der europäischen und ostasiatischen Kunstgeschichte in

Heidelberg

1983 erste multimediale Arbeit: "Die

geheimen Empfindungen des A., S. "

Einzelausstellungen und Ausstellungsbe-

teidigungen im In - und Ausland

Lebt und arbeitet in Mannheim

Armin Schanz ist Maler und Videokünstler, wobei er zwischen beiden Medien konstruktive Wechselbeziehungen entstehen läßt, Motive aus seinen Videoar­beiten beinflussen seine Malerei, bei der Videoarbeit gemachte Entdeckun­gen werden malerisch vertieft und vice versa. In seine Videoarbeiten läßt er zumeist Performance-Elemente mit einfließen. Die Fotografie ist ein weiteres von ihm bevorzugt benutztes Medium.

Armin Schanz malt, wie er es selbst nennt,  psychische Experiencen,  also seelische  Erfahrungen, Momentaufnahmen intensiver Reisen durch  (m)seine traumatischen und meditativen Gefühl stielten. Durch absolute Bewußtseinswahrnehmung  unter  Zerstörung sämtlicher psychischer Reduktionsmechanismen (Schanz)  gelangt er zu seinen sensitiv-medialen  Inspirationsfindungen. Seine  Bilder sind voller Bewegung,  eingefroren und geprägt  von  seiner expressiven,  im nächsten Moment realistisch pointierender Handschrift. Er scheint  sich  völlig auf die Darstellung des Menschen  konzentriert  zu haben,  wobei  die geschlechtsspezifischen Merkmale der Wesen  in  seinen Bilder  fließend miteinander verwischt sind.  "Irritierend an  den neuen (wie  an den älteren)  Arbeiten des Erotomanen Schanz ist vielmehr,  daß sich Sexualität als  schöpferische Phantasie in einem eigenartigen, diffusen  Grenzland abspielt,  in dem es keine festen Rollenzuweisungen gibt.  Androgyne Erfahrungen von Zärtlichkeit,  spielerisches Austauschen von Requisiten und Körperfunktionen innerhalb einer Paarbindung, das alles gibt den Arbeiten des Mannheimer Künstlers eine besondere Sanftheit,  ein kindhaftes Schweifen, hier ist der Mann? Wer ist die Frau? Welches Gesicht verbirgt  sich hinter der Maske,  welcher Körper im Spitzenteddy? Fragen und Möglichkeiten,  die bis zu mythischem Schrecken  vordringen  können, aber zu schwebender Unschuld zurückkehren." (Dr. Christel Heybrock) Armin  Schanz  strebt mit dieser besonderen Darstellung der  Erotik  nach gesellschaftlichem Wandel,  nach der Androgynen Gesellschaft.  Nackte und Halbnackte gibt es seit die Malerei besteht,  bald auch Amouröses,  das sich mehr und mehr nun auswächst.  Aber die "Offenheit der Offenbarungen" des  1960 geborenen Mannheimers Armin Schanz mit der er sich und  seine Frau Sabine quer durch die Erotik in großformatigen ölen,  Mischtechniken und Gouachen abbildet, dürfte dennoch selten sein." (Dr. Kurt Unold)

Der  künstlerische Werdegang von Armin Schanz läßt sich von  der  frühen Auseinandersetzung  mit  dem Surrealismus bis zur raschen  Loslösung von

 einem  etablierten  Stil zur Entwicklung  seiner  eigenen  Ausdrucksweise verfolgen.  Auf  diesem Weg entwickelte er 1982 in seinem  Manifest  den "Sensitivismus". Eine Kunstform, die sich fast ausschließlich mit latenten Empfindungen  beschäftigte  und der Betrachter  provoziert  wurde  eigene Interpretationen  zu  suchen,  eigene latente Empfindungen zu  entdecken. Seine Malweise war in dieser Zeit eher zurückhaltend, fast altmeisterlich glatt. "Die neue Sachlichkeit der 20er, Maler wie Christian Schad, ließen sich als Väter einer subtilen Genauigkeit nennen, die sich ebenso wie die Merke  von Schanz durch Kühle und Distanziertheit auszeichnen."  (Dr.  H. Borgmann)

Schon bald sprengte Schanz' kreative Energie jedoch diese selbst gewählte Zurückhaltung. Seine Malweise ist frei und locker geworden und gerade auf die Manifestierung der Auctoritatis seiner Persönlichkeit in den Arbeiten legt er heute besonderen Wert, die Distanziertheit ist gewichen.  Geblie­ben  ist  seine exzessive Inspirationsfindung und . die  Einbeziehung  des Betrachters: "Die Betrachter, die mit meinen Bildern konfrontiert Herden, sollen  mit einem Katharsis-Effekt eigene psychische Experiencen erleben." (Schanz)

Ausstellungen (Auswahl):

1982 Deutsch-Amerikanisches-Institut, Heidelberg

1983 Pakhuis de Schottenburch, Amsterdam

1984 Galerie in der Klapsmühl', Mannheim

1985 Gruppenausstellungen in Wien, Bonn und Düsseldorf
     Forum Art, Mannheim

1987 Künstlerkeller Gutenberg-Treffpunkt, Mannheim 1988  Galerietage im Mannheimer Kunstverein

vertreten durch die Kunstgalerie Kreathek

Der Sensitivismus und die Person, Armin Schanz 1985

 Der Sensitivismus

Das entscheidenste Merkmal des Sensitivismus ist der Inspirationsgedanke, den Armin Schanz durch eine meditative Trance erhält, d.h. er versetzt sich selbst in einen Trancezustand. Dieser Zustand hält über Tage hinweg an, wobei tranceähnliche Zustände mit tiefen Meditationen abwechseln. In dieser Zeit baut er eine eigene Welt um sich herum auf und setzt sich wahren Reizüberflutungen aus; Diese Reize können von ihm selbst, seinem eigenen Körper ausgehen, aber auch von Umweltreizen, die er in der Natur oder unter Menschen sucht, besonders aber von seiner Frau Sabine. Armin Schanz durchlebt dabei alle Empfindungen selbst, leidet und enthusiasmiert mit ihnen. Er befindet sich während dieser Zeit in einem überempfindlichen, übersensitivierten Zustand, daher der Name Sensitivis­mus.

Ein weiteres Merkmal des Sensitivismus ist die Ausschnitthaftigkeit der Bilder, damit will Schanz erreichen, daß der Betrachter über das Bild hinausdenkt, das Bild vervollständigt. Der Betrachter soll das Bild nicht als gegeben hinnehmen, sondern soll bewußt provoziert werden eine eigene Interpretation zu suchen. Dies soll ihn dazu bewegen eigene unterdrückte Empfindungen in sich selbst zu erkennen und diese vieleicht respektieren zu lernen.

Zitat Armin Schanz: " Der Sensitivismus erscheint einer einsamen Weinberg­schnecke befreiend wie das zerstreuende Summen einer Stubenfliege und einer Stubenfliege betörend wie der eigene Tod."


 Die Bilder und die Person

 Die Bilder haben zumeist einen erotischen Inhalt, was mit dem Anliegen des Sensitivisaius und dem Anliegen von Armin Schanz selbst zusammenhängt. Armin Schanz setzt sich kritisch mit der Gesellschaftsmoral auseinander und greift vor allem sexuelle Tabus der Gesellschaft an. Sein Anliegen ist, daß die Betrachter seiner Bilder ihre eigenen latenten sexuellen "Abartigkeiten" erkennen und lernen sie zu verstehen. Armin Schanz selbst ist während seines übersensitivierten Zustands Hermaphrodit und empfindet in tiefer Meditation wie eine Frau. Zitat Armin Schanz:  "Im Kopf eines Mannes ist eine Frau

Im Kopf einer Frau ist ein Mann

Aber oh Wunder, was durchwandert den Kopf von Armin Schanz"

 

 

 

... wurde I960 in Mannheim geboren. Seit 1982 studiert er europäische und ostasiatische Kunstgeschichte in Heidelberg. 1974 begann für ihn eine intensive Auseinandersetzung mit der Malerei; heute bedient er sich verschiedener künstleri­scher Ausdrucksformen, so neben der Malerei auch der Bildhauerei, der Fotografie und visueller Methoden, außerdem dichtet er in Wort und Schrift. Der künstlerische Werdegang von Armin Schanz läßt sich verfolgen über die Auseinandersetzung mit dem Surrealis­mus, bis hin zur Loslösung von einem etablierten Stil, zur Ent­wicklung einer eigenen Ausdrucksweise, eines eigenen Stils, den er selbst SENSITIVISMUS nennt.

Der Sensitivismus hat zwei hervorstechende Konstitutive, Aus­schnittcharakter und Inspirationsgedanke. Der Auschnittcharakter ist eine bewußte Provokation zur eigenen Interpretation und Ver­vollständigung des sensitivistischen Fragments durch den Betrach­ter, wobei Armin Schanz mit Priorität latente Empfindungen zu aktivieren sucht. Seine Inspirationsgedanken erhält er in medi­tativen Trancezuständen, die sowohl 'paroxysraal´ d.h. anfallss­weise, als auch konsekutiv und anhaltend sein können und zur völ­ligen Kontemplation führen. Dabei befindet er sich in einem extra­vertierten, 'übersensitivierten' Zustand, mit androgynen Transzen­denzen.

In seinen Arbeiten beschäftigt sich Armin Schanz vorwiegend mit latentem Sexualverhalten.

 

 

Beschreibung meiner künstlerischen Arbeit, Armin Schanz 1986

 Beschreibung meiner künstlerischen Arbeit

Meine gestalterische Arbeit hat zwei hervorstechende 'Konstitutive, zum einen der Ausschnittcharakter, der für alle Bilder typisch ist und mehr oder weniger stark ausgeprägt sein kann, zum anderen die paroxysmal meditativen Trancezustände und der daraus resultierende sensitive Inspirationsgedanke, dem ich die absolute Priorität gebe. Diese beiden Merkmale bilden auch die Eckpfeiler des von mir entwickelten Stils, den ich Sensitivismus nenne, wie in meinem Mani­fest von 1932 definiert. Der Sensitivismus setzt Empfindungen in Sichtbares um, er will tiefere, latente Schichten des Bewusstseins freilegen. Die Quelle, aus der ich hierbei schöpfe, ist der Zustand der Trance. Ich spreche daher auch vom sensitiven Inspir­ationsgedanken, weil gerade die Erlangung desselben für den Inhalt meiner Bilder von entscheidender Bedeutung ist, man kann daher schlecht von einer eher spontanen Bildidee sprechen. Die meditativen Trancezustände können in ihrem Verlauf Anfallsweise auftreten, werden anfangs jedoch bewusst gesucht und möglichst gesteuert, was mit Ausnahmen meist gelingt, wobei jedoch auch die freie Eskalation der meditativen Trance von besonderem Reiz für mich ist. Diese Trancezustände, die ich wegen ihren Anfallshaften Eigenschaften paroxysmal nenne, sind in der Regel konsekutiv und anhaltend, i.e. der Zustand der besonderst gesteigerten Reizempfindlichkeit und die zeitweise eintretenden Zustände, bei denen sich die Trance und die Meditation vereinigen, hält über Tage hinweg an. In dieser Zeit befinde ich mich in einer extravertierten, übersensitivierten Verfassung, bei der androgyne Transzendenzen vorherrschen, mit dem Ziel der völligen Kontemplation. Die dabei entdeckten und frei­gelegten Empfindungen durchlebe ich selbst sehr intensiv und arbeite sie aus. Unter anderem mache ich Fotografien von mir selbst, die mir später zur Gedankenauffrischung dienen, in meinen Bildern

 

(Collagen) Verwendung finden und auch zu eigenständigen Kunst­werken avancieren. In meinen Bildern versuche ich dann das in der meditativen Trance bzw. der Kontemplation Erlebte, die laten­ten Empfindungen, darzustellen. Sehr häufig lege ich hierbei die Priorität darauf, die androgynen Empfindungen zu zeigen, die im Zustand der Kontemplation bei mir vehement ausgeprägt sind. Androgyn verstehe ich im klassischen Sinn, als Wiederherstellung einer ursprünglichen Einheit. Es kommt mir nicht auf eine vorder­gründige Scheinzwrittrigkeit an, sondern auf die Fähigkeit die weibliche und die männliche Empfindungswelt in einer Person zu vereinigen, transzendale Empfindungen, zu erlangen, die völlig losgelöst sind von geschlechtsspezifischen Barrieren, die wie ein Filter bestimmte Gefühle, Reize und Eindrücke absorbieren. In diesem klassischen Sinn bezeichne ich mich während des geistige Entstehungsprozesses meiner Bilder als Hermaphrodite, der in der Kontemplation versucht bis an die Grenzen seiner Empfindungswelt vorzustoßen. Meine gestalterische Arbeit ist daher eine vehemente Auseinandersetzung mit dieser Problematik, wobei ich den Sensus dieser Auseinandersetzung in der sensitivistischen Gedankener­weiterung sehe, einer Konspiration der latenten Emotionen gegen ihre Unterdrückung. Aus dem Gesagten ergibt sich fast zwangsläufig, dass ich fast nur mit Selbstbildnissen arbeite, da das direkte psychische und physische Einfließen der Künstlerpersönlichkeit in das Bildwerk für mein Kunstverständnis besonders wichtig ist, wobei das physische Element bei den Arbeiten, die ich direkt mit dem eigenen nackten Körper male,am ausgeprägtesten ist (Performance). Die hierbei entstehenden männlichen Akte beruhen, trotz ihrer teilweise provozierenden Deutlichkeit, nicht auf einer patriachalischen Selbstdarstellungen, oder einem übertriebenen Narzissmus, sondern stellen Momentaufnahmen einer kontemplativen Durchforschung der eigenen Psyche dar. Dies bleibt nicht nur eine persönliche Angelegenheit, sondern mein Hauptanliegen ist es, dem Betrachter meiner Bilder die Möglichkeit zu eröffnen, über das Dargestellte hinaus kreative Vorgänge freizusetzen und eigene latente Empfin­dungen zu erkennen. Der Betrachter soll sich selbst in den Bildern erkennen und sein Mundus sensibilis soll angeregt werden.

 

Die sensitivistische Methode ist nicht auf eine bestimmte Mal­weise festgelegt. Es kommt nicht darauf an wie man malt, oder etwas tut, sondern auf die daraus resultierende Befreiung eines latenten Gefühls. Der Sensitivismus beschränkt sich daher keines­wegs nur auf die Malerei, er ist auf alle gestaltenden und darstel­lenden Bereiche anwendbar, auf die unterschiedlichsten Handlungen, ja sogar das Wasserlassen kann zu einem sensitivistischen Akt werden. Und wenn ich mir etwa die Augen anmale, geschieht dies aus einem sensitivistischen Ritual heraus. Der sensitivistische Künstler arbeitet nach dem Prinzip des Gesamtkunstwerks, nur die völlige Integration in das sensitivistische Werk kann zur Kontemplation führen und somit die sensitivistischen Gedanken erst mög­lich machen. V/ie Yves Tanguy seinerzeit lebendige Fliegen verspeiste um das Bürgertum zu schockieren, so male ich mir die Lippen rot an. Ich könnte natürlich auch lebendige Fliegen verspeisen, aber das Wanzenblut des Lippenstifts schmeckt mir besser.

"Der Sensitivismus ist die Revolution der Gedankengänge, meditative Ausgeburt einer Inspirationsschwemme paroxysmal sensitiver Gedanken. Die malerische Interpretation der Inspirationsgedanken ist darge­stellte, sichtbargemachte Poesie. Es lässt sich somit sagen, sensi­tivistische Gedanken erhält man durch meditative Trancezustände. Diese Gedanken können in materialisierter Poesie ejakulieren." (Manifest des Sensitivismus, 1982)

Februar 1986

 

 

 

 

Die androgyn transzendalen Antioden des Sensitivismus, Armin Schanz 1986

DIE ANDROGYN TRANSZENDALEN ANTIPODEN DES SENSITIVISMUS

Ich strahlte wie ein bebender Schiffsmast, stattlich wie eine Theaterkutsche, getrieben durch Donnerwolken, Feuerspiele, Meere von Impulsen, Energiebündel, die pulsierten wie der kräftige Bu­sen einer jungen Frau, die eine Möwe gefangen hat. Zwei gelbe Negeraugen suchten die versagende Hand ab, und eine Gruppe von Schauspielern, wildernd und klingelnd, scherzten in ihrer purzeln­den Art. Mit den Schauspielern spielte ausgelassen ein kleiner Junge, verliebt in seine eigenen Empfindungen, rief er ständig seinen Namen aus. Schrill und laut drang seine Stimme an meine Ohren und betörte sie. Wie von flinken Peitschen angetrieben eilte sie mein Rückkrad rauf und runter. Junge Rehböcke warben um die scheue, zarte Schützenkönigin, die Schwester der Seemöwen, einsam und doch wissend. Ich sah das Funkeln in ihren Augen, und mein Atem hauchte Herbst. Sie bändigten ihren stolzen Frauengang, Pferdehaare, Fleisch, zerrissene Haferröcke, ich sah mich selbst als Frau, war verrückt nach meinem süßen Atem, total verrückt nach meinem, flachen Atem, stolz auf meinen stolzen, hohen Gang. Und ich sah Beine, azurn und geädert, gefiedert wie eine weinende Nacht,, und Schmückfederhüte ...

Der ein oder andere Leser ist vielleicht jetzt

schon ins Träumen geraten, manch einer fragt sich aber bestimmt, was soll denn das, was erzählt der uns denn da eigentlich? Der Träumende hat das Wesen des Sensitivismus jetzt schon begriffen, der Fragende jedoch gehört zu jenen, die alles genau wissen wollen, die für alles eine Erklärung brauchen, die selbst für das Transzendale noch eine Erklärung fordern, ja sogar für die Antipoden der Psyche. Denen sei hier ein für allemal gesagt  (also Ohren auf!): der Sensitivismus erscheint einer einsamen Weinbergschnecke befreiend wie das zerstreuende Summen einer Stubenfliege und einer Stuben­fliege betörend wie der eigene Tod. Noch deutlicher? Das heißt, dass ich bei dem oben geschilderten kontemplativen Erlebnis, das

 

war es nämlich, ein kontemplatives Erlebnis, bis an die Grenzen meines eigenen Seins, die Antipoden der Psyche, vorgedrungen bin. Das ist dann, wenn man an einem Abgrund steht und das ganze Leben vor einem liegt, die ganzen inneren Empfindungen weit ausgebreitet vor einem liegen und man nur hineinzuspringen braucht, wie in einen sprudelnden Brunnen, erfrischend, worin man sich laben kann und kniehoch in seinen eigenen Empfindungen herumwaten. Oder noch deutlicher: Der Sensitivismus überwindet die Absorptions-Filter des menschlichen Gehirns und dringt in die Antipoden der Psyche vor wie ein Polarforscher, dabei fördert er geheime, latente Empfindungen zu Tage. Diese Antipoden trägt jeder Mensch sein ganzes Leben mit sich herum, nur viele sehen sie nie. Wer jedoch von sich behauptet keine latenten Empfindungen zu haben, der nimmt besser ein Telefonbuch zur Hand, als etwas über den Sensitivismus zu lesen. Dieses zu Anfang geschilderte Erlebnis war für die Entwicklung des Sensitivismus von immenser Bedeutung, die ganze Tragweite der

sensitivistischsn Meditations- Trance wurde plötzlich erkennbar. Eine Inspirationsschwemme, einer Offenbarung gleich ergoss sich über mich, eine Orgie an Inspirationsgedanken, ejakulierende Poesie, die in wahren Reizüberflutungen gipfelte, sodass ich mir der großartigen Erlebniswelt meiner Antipoden und Empfindungen bewusst wurde. Diese Erkenntnis war so tiefgreifend, dass ich fast aus dem Fenster gesprungen wäre. Ja, ich wäre fast aus dem Fenster gesprungen! Wer noch niemals den Gedanken hatte aus dem Fenster zu springen, nicht in Suizidabsicht, sondern einfach so, dem puren Erlebnis wegen, der gehört zu jenen, die eines Tages, vielleicht beim Fensterputzen, einfach Abstürzen und auf das Pflaster klatschen, ohne zu ihren Antipoden vorgedrungen zu sein.

Der Tatsache, dass ich nicht gesprungen bin, verdanke ich die Entdeckung meiner androgyn transzendalen Antipoden, das Erkennen und Verstehen meiner transzendalen Hermaphroditität. Durch meine androgyn kritische Methode kann ich Bilder malen, die völlig frei sind von einer ge­schlechtsspezifischen Betrachtungsweise. Ich male mit den Gefühlen einer Frau und mit den Gefühlen eines Mannes, die in stetem Wechsel, meist jedoch in einer Einheit, in mir dominieren. So ist es möglich Bilder zu malen, die weder ein Mann, noch eine Frau so hätte malen.

 

können, und die bei männlichen und weiblichen Betrachtern die unter­schiedlichsten Empfindungen hervorrufen. Diese androgyn kritische Methode ist der eigentliche Motor für meine sensitivistischen Inspirationsgedanken.

Androgyn sein, in der ursprünglichen Einheit des Männlichen und des Weiblichen zu leben, ist eine Bereicherung der eigenen Erlebniswelt, und dieser Wunsch ist latent in fast jedem Menschen vorhanden, ob er es zugeben will oder nicht. Durch meine sensitiven, meditativen Trancezustände habe ich mein eigenes latentes Geschlecht entdeckt und eine einzigartige Anabolie und Gefühlsbereicherung erfahren.

SENSITIVISMUS: Kontemplative Darstellung androgyn transzendaler

Antipoden der Psyche konstituiert auf der Auctoritas des Künstlers. 

 

KONTEMPLATION:  Absolute Bewusstseinswahrnehmung unter Zerstörung

sämtlicher psychischer Reduktionsmechanismen, jen­seits jeder ästhetischer und ethischer Überlegungen.

 



März 1986

 

 

Cupere aude, Armin Schanz 1987

cupere aude   -  Armin Schanz 1987


"Ich male zumeist psychische Experiencen, i.e.  ich setze Erlebnise und Empfindungen,  die ich in einem meditativen Trance-Zustand erfahre,  in Sichtbares um.  Diese meditative Trance ist das wichtigste Merkmal meiner Arbeit.

Ich  versetze mich hierfür in einen  übersensitivierten   Zustand, der über Tage hinweg  anhalten kann.  Diese Methode ermöglicht mir eine absolute Bewußtseinswahrnehmung     unter  Zerstörung  sämtlicher  psychischer Reduktionsmechanismen,  jenseits jeder ästhetischen und ethischen Überlegungen.  Dadurch dringe ich bis zu den Antipoden meiner Psyche  vor.  

Meine Bilder lassen sich als eingefrorene Momentaufnahmen  dieser immer wieder neu  durchlebten Erfahrungen ansehen. Auch die Betrachter, die mit meinen  Bildern  konfrontiert werden,  sollen mit einem  Katharsis-Effekt  eigene psychische Experiencen  erleben.


Im Zustand dieser meditativen Trance sind  meine nach  innen gerichteten  Augen  wie    glühende  Sterne  in der Sonne,   weiße galoppierende Pferde auf  vereisten  Feldern,      gefrorene Seelen  der Vergänglichkeit.  Ich werde zum  Kopffüßler mit einem riesigen, übersensitivierten Kopf, der  seine Pflastersteine sprengt.  Der Körper  reduziert  auf die Beine,  die den Kopf fortbewegen,  Beine mit  androgynen  Füßen.


Kopffüßler-Mentalität: aufschäumende Begierde,  neugierige Augen umkreisen  Befriedigung wie Fliegen  das Aas.


Ein wichtiges Hilfsmittel fürdas Erlangen dieser meditativenTrance-Zustände, aber        auch während des übersensitivierten Zustandes,  ist  Musik,  die  Musik von Tyrannosaurus     Rex  und Hawkwind.  Diese Musik  zählt mit vielen anderen Elementen  zu meiner wichtigsten Inspirationsquelle.


Psychische  Vorgänge werden durch  Bewegung und  erzerrung sichtbar. Ich male Körper,  die     sich in der Kontemplation befinden, eine  psychische Experience haben.  Die psychischen Vorgänge  durchdringen die Materie der  Körper,  reißen sie auf, verzerren sie. Die Materie wird durch die psychischen Einflüße verändert,  zerstört, aber dadurch befreit     durch eine  neue Dimension. An der     Verzerrung und Entstellung lassen sich die psychischen  Vorgänge  ablesen. Bewegung  als Aufschrei, als psychische Explosion der Materie.


In vielen meiner Arbeiten hat der  Malgrund eine besondere Bedeutung. Er ist  nicht     beliebig,  sondern setzt sich aus Zeitungen, Zeitschriftenfetzen und anderen Objets trouvé zusammen. Diese  Objets  trouvé haben  alle  einen  besonderen  Bezug  zu den Zeiten     gesteigeter Reizempfindlichkeit, die  den meditativen Trance-Zuständenvorangehen  oder  ihnen   folgen  und  sehr konsekutiv sein     können. Es sind  somit Gegenstände,  die     Empfindungen suggerieren  oder  tatsächlich auslösen  können, Gegenstände  mit kontemplativer Bedeutung."


Script zum Film "Die geheimen Empfindungen" Armin Schanz, 1984

DIE GEHEIMEN EMPFINDUNGEN DES ARMIN SCHANZ Gewidmet den Wäldern des Wissens

Den ganzen Film hindurch ist ein Herzschlag zu hören, der sich mit der Szenenfolge steigert und wieder abnimmt, um sich wieder zu steigern.

Ein junges Mädchen (Armin) mit wehendem Kleid geht auf einem Waldweg spazieren. Sie hat einen rechteckigen, rohen Holzkasten umgehängt. Sie kommt von vorne auf die Kamera zu. Großaufnahme des Kastens. Sie geht mit dem Rücken zur Kamera, wobei der Rock ihre Beine umspielt. Sie bleibt stehen und zieht sich die Lippen nach, dann wirft sie den Lippenstift achtlos weg. Sie stellt den Kasten auf den Boden und kniet sich davor. Großaufnahme: Sie öffnet den Kasten und nimmt folgende Gegenstände heraus: eine Flasche etikettiert "Zärtlichkeit", zwei pastellfarbene Tücher und einen Seeigel.  Sie stellt alle Gegenstände nennen den Kasten auf den Boden, die Tücher breitet sie aus.

Szenenwechsel: Armin als Maler, mit Blättern und Trauben im Haar. Er läuft durch einen langen Kellergang mit dem Ölmälde "A Poet's Lay" unter dem Arm. Das Gemälde stellt er auf dem Boden ab. Großaufnahme des Gemäldes   Zwei Mädchen (das Mädchen aus der ersten Szene und ein zweites) in Hockstellung mit entblößtem Hintern.Zwischen den beiden Mädchen liegt der Seeigel.

Aufblendung: Ein Zauberer mit Frack und Zylinder rennt mit der Flasche"Zärtlichkeit" durch den Wald. Abblendung  Aufblendung: Die beiden Mädchen kämpfen um die Flasche. Jede hat ihre Hände um die Flasche geklammert und sie zerren heftig daran, jede versucht die Flasche an sich zu reißen, sodass ein Kampf entsteht. Schnitt: Das zweite Mädchen kämpft mit einem Demon (Armin), dabei zerreißt der Demon dem Mädchen das Kleid. Schnitt: Die beiden kämpfenden Mädchen.  Schnitt: Sonnenuntergang, die Sonne stürzt beschleunigt ab.

Schnitt: Das erste Mädchen(Armin) lässt plötzlich wie vom Schlag gerührt die Flasche los und weicht zurück. Mit schmerzverzerrtem Gesicht greift sie sich mit beiden Händen an den Kopf, Großaufnahme

des Gesichtes. Schnitt: Der Demon mit Schmerzverzerrtem Gesicht

und beiden Händen am Kopf (Großaufnahme).

Schnitt: Das Mädchen torkelt, mit der rechten Hand versucht es

in der Leere einen Halt zu finden, sie droht zustürzen

Schnitt: Torkelnder Demon, er versucht sich an einem Regal

zu halten und reißt es mit sich zu Boden.

Schnitt: Das Mädchen stürzt zu Boden.

Schnitt: (braun eingefärbt und in Zeitlupe) Ein Mann(Armin),

neben ihm eine Frau, von der man nur die Brüste sieht, der

restliche Körper ist bedeckt. Der Mann stürzt langsam, wobei

er versucht.sich an den Brüsten festzuhalten. Dabei zerkratzt er die Brügge'*" mit seinen Fingernägeln und hinterlässt blutige Spuren.

Schnitt: Das erste Mädchen liegt auf dem Boden, ihre Bewegungen sind ganz schwach, sie bäumt sich noch etwas auf und bleibt dann still liegen. Der Seeigel liegt direkt neben ihrem Kopf. Schnitt: Todeskampf des Demonen

Schnitt: (braun eingefärbt) Der Mann liegt auf dem Boden, die Hände über dem Kopf. Eines der pastellfarbenen Tücher wird über sein Gesicht geweht. Abblendung

Aufblendung: Das zweite Mädchen hebt die Flasche "Zärtlichkeit", die zu Boden gefallen war, auf. Sie entkorkt sie und trinkt daraus. Sie trinkt gierig und hat den Kopf zurückgelehnt, den Mund.weit geöffnet. Dann geht sie zu dem am Boden liegenden ersten Mädchen, stellt die Flasche ab, wobei diese umfällt. Sie knöpft dem Mädchen das Kleid auf, nimmt aus dem BH den Kunststoffbusen heraus und wirft ihn zur Kamera hin weg.

Schnitt: Das Mädchen öffnet dem Demon die Brust, reißt ihm das Herz heraus und wirft es zur Kamera hin weg.

Schnitt: (braun eingefärbt) Die Frau beugt sich über den am Boden liegenden Mann und reißt ihm das Hemd auf, sie legt seine Achselhöhle frei. Sie nimmt einen Pinsel und färbt seine Achselhöhle blau ein. Die Farbe und der Pinsel strahlen blau aus dem braunen Grundton des Bildes heraus. Abblendung

Aufblendung: Eine junge Frau promeniert im Wald, sie scheint etwas zu suchen. Plötzlich entdeckt sie etwas und versteckt sich hinter einem Baum. Sie schaut hinter dem Baum hervor und scheut etwas zu erkennen. Kamera filmt über ihren Rücken hinweg ein Waldstück. Der Zauberer schlägt mit einem Schwert auf eine Wurzel ein, die Spähne fliegen nach allen Seiten davon. Abblendung.

 

Aufblendung: S&W Ein Paar Füße im Schlaglicht, das eine

Bein ist angewinkelt. Es sind bestrumpfte Frauenfüsse, die

in schwarzen Pumps stecken . Eine Hand greift den angewinkelten

Fuß und zieht den Schuh aus und dann wieder an.  Schnitt

Wieder Color. Die gleichen Füße gehen eine Treppe hinunter,

unten angekommen fährt die Kamera zurück. Und man sieht

Armin als Maler mit Trauben und Blättern im Haar, unter dem

Arm trägt er das Ölgemälde "The great Brainstorm". Er läuft

durch einen Kellergang und stellt das Bild auf den Boden an eine

Wand gelehnt ab. Großaufnahme des Bildes, Überblendung:

Eine Frau betrachtet ihre Achselhöhle wie auf dem Gemälde.

Plötzlich erscheint der Mann mit der blau gefärbten Achselhöhle.

Die Frau erschrickt und fährt mit der Hand zum Mund. Die Haare

in ihrer Achselhöhle sind verschwunden. Die Frau wendet sich ab und

legt sich auf ein Doppelbett. Der Mann versucht ebenfalls zum Bett

zu gehen, seine Bewegungen sind jedoch abgehakt. Die Frau lacht.

Der Mann schafft es nicht zum Bett zu kommen, immer wieder ist

er an einem anderen Ort und darüber erschrocken. Einschnitt:

Armin als Kind. Wechsel von Farbe auf Schwarz/Weiß

Als er es dann schafft legt er sich bäuchlings auf das andere

Bett und trommelt mit des Fäusten darauf herum. Schnitt: Der Mann

liegt auf einem weißen Tisch und trommelt mit den Fäusten darauf,

um ihn herum stehen Ärzte und schütteln die Köpfe.

Schnitt: Armin mit Zylinder in Großaufnahme, er dreht sich langsam

herum und läuft mit dem Rücken zur Kamera weg. Stop

Ende eingeblendet.

Affektuose Malerei, Armin Schanz 2017

Affektuose Malerei

 

Meine künstlerische Intension ist die affektuose Malerei 

 

diese beruht auf interaktiven Empfindungen

 

-  Empfindungen des Künstlers in der Inspiration und Ausführung

 

- die Empfindungen der Dargestellten

 

- die Empfindungen der Betrachter

 

(Motto: psychische Ästetik affektuos in die Höhe treiben)

 

 

Ich experimentiere hierbei nicht nur mit der Darstellungsweise sondern auch mit den Techniken. Durch die Kombination der verschiedensten Techniken und künstlerischen Ausdrucksformen  entstehen neue Formen und Strukturen, die Interaktionen mit dem Betrachter generieren. Der Betrachter wird selbst aktiv, z. B. versucht er Strukturen, Erhebungen zu berühren und zu ertasten.

 

Besonders deutlich wird dies bei meinen eGouachen auf Leinwand, wo Erhebungen erscheinen, aber nicht tastbar sind. Es entstehen enorme Tiefenwirkungen, in der der Betrachter einzutauchen versucht aber verblüfft feststellt, eine völlige glatte Fläche vor sich zu haben.

 

Eine von mir neu entwickelte Technik des "Combine Painting" ist die Kombination von Graffiti mit dem klassischen Holzschnitt auf Leinwand. Hierbei entstehen unerwartete Reaktionen in der Farbe, was zu neuen Farbreflektionen führt. Ich habe hier teilweise eine automatistische Malerei, wie sie vergleichbar bei Max Ernst in seinen Öl-Frottagen vorkommt.

 

Desweiteren zeige ich eine 5-teilige Skulpturengruppe

 

Auf eine Maske immer des gleichen Gesichtes wird ein anderes mediales, bekanntes Gesicht (Madonna, Lady Gaga, Amy Winehouse, Marilyn Monroe) aufgepresst.

 

Das bekannte Gesicht zwingt sich auf das andere und verformt sich dabei. Die immer gleiche Maske erscheint auf jeder Skulptur völlig anders, obwohl der "Fleisch und Knochen- Anteil" des Ausgangsgesichts immer gleich ist.

 


Fresken und Gitarren

Ein Autobiografischer Rückblick auf die Entstehung dieser Methodik 

 

Im Sommer 1970 bin ich mit meinen Eltern an den Neusiedler See in Österreich gefahren. Der Urlaub war damals eine Katastrophe, auf der Hinfahrt hatte ich eine Mittelohrentzündung und lag die ganze Fahrt über schlafend und mit Schmerzen auf der Hutablage unseres Mercedes. Die können nicht ganz dicht gewesen sein, die Alten. Von der Anschnallpflicht war man zu dieser Zeit noch weit entfernt, aber das Kind auf der Hutablage schlafen lassen, das kann aus heutiger Sicht nicht wahr gewesen sein. Man mag sich nicht vorstellen, was dabei hätte alles passieren können. Ich weiß nicht was die sich nur gedacht haben, ist wahrscheinlich alles im Zigarettenqualm mit dem sie ständig das Auto zugenebelt hatten, untergegangen. Hirn einbalsamiert, nichts passiert. Dabei waren noch die Schwestern meines Vaters und ihr Mann, die ich sehr gerne mochte und mit denen wir jedes Jahr zusammen in Urlaub gefahren sind. Immer nach Österreich an den Fakersee und in die gleiche Pension. Waren schon ziemlich langweilig die Alten, kann ich allerdings heute besser verstehen, da ich auch gerne den Urlaub an einem bekannten Ort verbringe, wo ich weiß was mich erwartet. Denn der Urlaub ist sehr kostbar und da darf einfach nichts schiefgehen. Anders damals in diesem Urlaub ging so ziemlich alles schief, was eigentlich schiefgehen konnte. Mitgefahren sind noch ein Freund meines Vaters aus frühester Kindheit in den Mannheimer Quadraten Erwin und dessen Frau. Sie waren zum ersten Mal wieder mit uns gemeinsam in den Urlaub gefahren und es war das letzte Mal für die drei Familien, das sie dies taten. Letztere hatten keine Kinder und besonders die Frau, die ich Tante Traudel nennen musste, war was an Kinder anbelangt sehr komisch und sehr schnell genervt und in der Folge gereizt, was in der weiteren Folge wiederum zu Streit führte. Als wir dann nach langer Fahrt mit einer Übernachtung, die beiden Mercedes’ hatten eine Höchstgeschwindigkeit von ca. 120 km/h und der von Erwin war noch etwas schwächer auf der Brust als der meines Vaters, was wiederum zu Streitigkeiten führte, endlich am späten Nachmittag ankamen, hatte man alle drei Zimmer vergeben und wir standen ohne Unterkunft da. Der Schock war groß und gegenseitige Schuldzuweisungen blieben nicht aus. Mich als Kind störte dies weniger. Ich fand es spannend, dass wir die erste Nacht als Notunterkunft neben einer Backstube schlafen mussten und es da in den frühen Morgenstunden schnell sehr heiß wurde. Das schönste für mich war jedoch als wir die Anderen in deren verschiedenen Unterkünften einsammelten, besagte Tante Traudel am Sautrog des Bauernhofes, wo sie übernachtet hatten, ihre Morgentoilette verrichten musste, woran natürlich die anderen wieder schuld hatten. Auch als wir dann unsere endgültige Bleibe für die drei Wochen gefunden hatten, war unter ihrem Fenster ausgerechnet der Misthaufen der Herberge untergebracht. Es trifft, meistens jedenfalls, immer die Richtigen. Interessant an diesem Urlaub ist, dass ich zwei prägende Erlebnisse hatte, für die sich der Chaotenurlaub gelohnt hat:

 

1. mein erstes prägendes Zusammentreffen mit einer E-Gitarre und

2. Sakrale Fresken in verschieden Kapellen im damaligen Jugoslawien.

 

Der Urlaub war als Badeurlaub für drei Wochen geplant, bei schlechtem Wetter sollten dann entsprechend Ausflüge unternommen werden z.B. nach Wien. Der Schönheitsfehler dabei war, dass der Jugendfreund meines Vaters und auch dessen Frau beide Nichtschwimmer waren und bei den Strandtagen den ganzen Tag gelangweilt im Liegestuhl herumlagen und rein gar nicht ins Wasser gingen und das wo der Neusiedler See ziemlich flach ist und selbst von mir knapp 10-jährigem bequem hätte zu Fuß durchquert werden können. Dies führte naturgemäß zu weiteren Spannungen unterhalb der Erwachsenen und drückte auch auf meine Stimmung. Der Neusiedler See ist von Moor umgeben und selbst auch sehr moorhaltig, sodass wenn man weiter raus ging im Moor wartete, weshalb ich den See dann doch nicht durchlaufen wollte. Interessant war es, wenn man zum Strand fuhr und ja nicht vom Weg abkommen durfte um nicht im Moor zu versinken. Ich stellte mir immer zahlreiche Moorleichen vor, die man darin finden könnte. Das besondere Ereignis nahte jedoch mit der Ankündigung für eine große Strandparty am Samstag. Für die Alten war dies wenig erfreulich, wollten sie doch ihre Ruhe. Die störte zu der Zeit eine weltweit verbreitete Mode, die besonders meinen Vater zur Weißglut brachte und die mir strengstens verboten war. Bin dann aber doch erst recht mit den Dingern herumgelaufen. Es waren zwei pfirsichgroße Kugeln, die an je einer Schnur hingen, die beiden Schnüre hingen wiederum an einem kleinen Ring, den man sich über einen Finger ziehen konnte, die Kunst bestand nun darin die nach unten hängenden Kugel frei schwebend zusammenschlagen zu lassen, immer schneller und schneller bis sie so heftig voneinander abprallten, dass sie nach oben flogen und auch dort wieder zusammenstießen. Das ging, wenn es klappte unglaublich schnell und machte eine Höllenlärm. Meistens jedoch verbeulte man sich nur die Knöchel. Mein Vater reagierte darauf geradezu allergisch und ich bin noch Jahrelang damit herumgelaufen obwohl es schon längst wieder aus der Mode und vom Jojo abgelöst worden war. Den hatte ich zwar auch, aber das Ding machte ja nicht das geringste Geräusch, wie soll man damit jemanden zur Weißglut bringen, einfach unmöglich. Nun sollte eine Beach Party stattfinden, die Alten stur mit Kühltaschen und Liegestühlen zum Strand getrabt. Am oberen Teil des Strandes, wo sich auch ein Kiosk und andere Geschäfte befanden, war eine einfache Bühne aufgebaut und darauf spielte eine Rockband. Man waren die für mich cool, lange Haare bis weit über die Schultern, Jeans und Batikhemden, Westen oder Jeansjacken. Es war die klassische Besetzung Gitarren, Bass und Schlagzeug. Das hat mich umgehauen, ich hörte zum ersten Mal in meinem Leben eine elektrische Gitarre life. Der Gitarrist, der auch sang war der coolste, mit sehr langen Haaren und einer ganz kleinen Sonnenbrille, die ich auch gerne gehabt hätte, sie aber nirgends kaufen konnte. Und die aufgetürmten Verstärker, das war so faszinierend für mich, ich konnte mich nicht mehr lösen. Die Alten wollte natürlich ganz schnell weiter, weil es ja sehr laut war, ich aber stand wie angewurzelt und der Gitarrenklang drang in meine Ohren und hat mich bis heute nicht mehr losgelassen. Den ganzen Tag bin ich immer wieder dorthin gerannt um noch einmal einen Blick auf die Gitarren und die Musiker zu erhaschen und noch mehr dieser geilen Töne in mich eindringen zu lassen. Näher hingetraut habe ich mich allerdings nicht, den die Musiker waren mir als kleinen Vertreter des Homo sapiens doch auch etwas unheimlich, nicht dass die mich vielleicht noch entführen wollen. Diese Angst hat man uns damals ständig eingeredet, ich weiß nicht ob damals mehr Kinder entführt wurden als heute und die Angst durchaus begründet war, oder ob man uns doch eher damit gefügig machen wollte von der Altvorderen Seite.

 

Geblieben ist die Faszination für die E-Gitarre, über die ich damals natürlich nicht all zuviel wusste. Fast genau ein Jahr später nämlich am 16. September 1971 hat sich das Erlebnis mit noch dramatischerer Wirkung wiederholt als ich zum ersten Mal Marc Bolan life im Fernsehen sah. Er spielte seine ersten beiden großen Hits “Hot Love” und “Get It On”. Die Gitarrenriffs von letzterem brachten mich fast um den Verstand , ich bekam sie nie wieder aus dem Kopf. 

 

Das zweite prägende Erlebnis in diesem Urlaub mit der Elterngeneration hatte ich als wir uns auf eine Interimsreise nach Jugoslawien aufmachten, ans Mittelmeer. Die Fahrt dort hin führte, so wie meine Erinnerung sie widerspiegelt weniger über Autobahnen als über meist schmale Straßen, die durchs Gebirge führten und wenig befahren waren. Unser alter Benz war für die kurvenreiche Berg und Talfahrt mit seinem kräftigen Diesel bestens geeignet. An der Straße befanden sich mehrere kleine Kapellen, die wir alle besichtigten. Von der Elterngeneration sicherlich nicht aus kulturellem Interesse sondern eher um die langwierige Fahrt etwas abwechslungsreicher zu machen. Die Schwester meines Vaters, Elsa, erscheint mir aus der Erinnerung etwas belesener gewesenen zu sein und sie studierte vor unseren Reisen diverse Reiseführer, sodass wir auch gezielt bestimmte Sehenswürdigkeiten ansteuern konnten. Die Kapellen waren schon etwas unheimlich und obwohl es zur Hochsommerzeit im damaligen Jugoslawien sehr heiß war, was es sicherlich im heutigen Kroatien und den anderen Nachfolgestaaten auch noch sein dürfte, kam einem beim Betreten der Kapellen immer ein kalter Luftzug entgegen. Der kalte Luftzug, der auch im Religionsunterricht aus den Bibelgeschichten, bzw. dem Mund des Pfarrers herauswehte. Der Luftzug, der auch in den Kirchen aus allen Ecken dem Besucher entgegen strömte, besonders in den katholischen Kirchen, da vermochte auch der noch in der Luft hängende Weihrauch nichts daran zu ändern, im Gegenteil, der kalte Weihrauch potenzierte geradezu das ungute Gefühl der Kälte, das einem überkam, sobald man ein sogenanntes Gotteshaus betrat. So jedenfalls in den 60er Jahren. Als ich in der Folge meines Studiums später die gesamte Bibel gelesen habe, ist mir von dieser Kälte besonders im Neuen Testament nichts aufgefallen. Man wollte mit dieser gesamten Aura im Religionsunterricht und in der Kirche selbst, nur das Volk und besonders das heranwachsende klein halten und einschüchtern, das war der einzige Zweck der Übung. Fortgesetzt aus dem Mittelalter, das Kaiserreich über das sogenannte Dritte Reich bis in die Adenauer Ära, eine Perlenkette des Grauens, der Unterdrückung der freien Meinungsäußerung, schön ducken und der Obrigkeit gehorchen, so hätten sie es damals gerne gehabt. Der Traum ist ausgeträumt, meine Herren in schwarz.  

Faszinierend  für mich waren jedoch die Fresken, die zahlreich die Wände schmückten. Wobei schmücken ganz und gar der falsche Ausdruck dafür ist, denn sie waren erschreckend. Stellten sie doch fast ausschließlich Szenen der Christenverfolgungen im alten Rom dar. Die Drastik der Darstellung war berauschend. Damals entdeckte ich zum ersten Mal den Katharsis Effekt, der mich in meiner Kunst noch lange begleiten sollte. Detailliert wurde dargestellt wie die armen Christen den Löwen zum Fraß vorgeworfen wurden. Sie rannten durch die Arena, teilweise lagen sie schon am Boden und waren verstümmelt, die Löwen aber erbarmungslos immer hinter ihnen her, dann sah man wieder deutlich wie ein Löwe gerade einen Christen zerbeißt, oder einem anderen wurde eben der Kopf von einem hungrigen Löwen abgebissen. Das alles mit viel Blut, nicht unbedingt realistisch, bzw. perspektivisch richtig dargestellt, aber dennoch so genau, dass es wie eine Momentaufnahme eines scheußlichen Verbrechens wirkte. Was war davor, was war dahinter, gab es überhaupt ein danach? Es zählte nur der Augenblick, wenn die Christen weg liefen sich zu verstecken suchten und dann doch von den Löwen zerfleischt wurden. So wie in meinem Bildern, wo der Betrachter aus eine Momentaufnahme erblickt und nicht das davor und das dahinter kennt. Es muss seine eigene Fantasie mit einbeziehen um an die Information zu kommen. So wie ich damals, meine Fantasie streifte und ich stellte mir jeden einzelnen der armen Kreaturen vor, wie er gelebt hat und wie er nun empfindet in dieser Situation, in die er geraten ist und ich hoffte für jeden einzelnen, dass er den Löwen entkommen konnte. Das ikonographische Davor und Dahinter habe ich später ausführlich auf der Uni in Heidelberg erörtert bei meinem Studium zur Christlichen Ikonographie des Alten und Neuen Testaments. Auf meine Frage an die Elterngeneration, was sind das für Menschen und warum tut man ihnen das an, war die Antwort etwas dürftig mit das sind Christen und die hat man bei den Römern den Löwen zum Fraß vorgeworfen, umrissen, wobei es bei meinem Vater einfach Kreuzköpfe waren, also Angehörige des Klerus, den es damals noch gar nicht gab. Ich dachte mir ganz schön gefährlich Christ zu sein und so an seinem Glauben festzuhalten, dass man dafür diesen schrecklichen Tod stirbt. Ich glaube keine Religion der Welt war es jemals und wird es auch niemals wert sein dafür zu sterben oder zu töten.     

Fraglich ist auch und war es mir damals auch schon, warum muss man solche drastischen Darstellungen in einer Kapelle anbringen. Sicherlich haben die Fresken einen Katharsis Effekt, aber war der wirklich gewollt. Muss man seine Religion, seinen Glauben an solchen brutalen Darstellungen festmachen. Man glaubte wohl, wenn man die einfachen Leute, die die Bibel nicht lesen konnten, weil sie einfach nicht die Möglichkeit hatten lesen und schreiben zu lernen, weil man dies von der damaligen Obrigkeit, dem Klerus und der Aristokratie, auch gar nicht wollte, einfach richtig erschrecken musste um aus reiner Angst an dem ihnen vorgebeteten Glauben festzuhalten. Waren also doch wieder allein die “Kreuzköpfe” schuld, wie es mein Vater immer formulierte.

Für mich blieb die direkte Darstellung eines grausigen Augenblicks ohne Rücksicht auf Perspektive und Lichteinfall, einfach eine Bilddarstellung die direkt unter die Haut geht, ins Herz sticht, oder auch ins Genital, je wieder nachdem wie man es betrachtet, prägend. Das hatte ich gesucht für meine Bildsprache, das ist meine Formensprache.

 

Wir sind auf diesem Ausflug schließlich auch am Mittelmeer angekommen. Ich sprang das erste Mal in meinem Leben ins Meer und schmeckte das salzige Wasser auf meinen Lippen. Die Möwen überall, Seeigel im Wasser, ich war schon diesen Eindrücken paralysiert, sie fanden umgehend Einzug in meine Formensprache. Ich verwende sie bis zum heutigen Tage in allen Medien, mit denen ich meine Kunst materialisiere. Vater war vom Mittelmeer erwartungsgemäß nicht sonderlich begeistert, ihm war es zu heiß und überhaupt die mediterrane Lebensart und das Essen, das passte ihm so gar nicht. Die Anderen konnten nur ständig über den schlechten Kaffee und die noch schlechtere Butter herummeckern. Die konnten schon Probleme haben, die Alten.  

 

Wir sind in diesem Urlaub auch nach Wien gefahren, natürlich an einem Tag, als das Wetter schlechter war und man nicht schwimmen gehen konnte. Besonders die Nichtschwimmerfraktion aus dieser obskuren Reisegruppe drängte nach anderen Aktivitäten. Und so machte man sich auf nach Wien, dort waren wir bisher noch nicht, obwohl meine Eltern bestimmt schon 10 Mal in Österreich waren, immer am gleichen Ort, immer in der gleichen Pension. Nadolf hießen die Vermieter, sie hatten einen gleichaltrigen Sohn, wie ich. Ja wir haben ab und zu miteinander gespielt, wie es Kinder so tun, aber Freunde direkt waren wir nicht. Aber wir waren öfters im Wohnzimmer des Hauses zusammen mit einem weiteren Jungen, dessen Eltern auch jedes Jahr ihren Urlaub hier verbrachten. Im Wohnzimmer gab es einen Fernseher und das war schon mal gut. Es war nämlich die Zeit damals, als meine Eltern noch nicht einen tragbaren Fernseher mit in Urlaub geschleppt haben. Nun die einzigen 2 oder 3 Fernsehsender, die Österreich damals ganz so wie Deutschland zu bieten hatte, waren noch langweiliger als bei uns. Aber besser als nichts war es allemal. Meine geografischen Kenntnisse unseres Nachbarlandes sind jetzt nicht so überwältigend aber es scheint so zu sein, dass die Gegend um den Neusiedlersee näher an der Hauptstadt Wien liegt als der Faakersee, was erklären würde warum meine Eltern nun vorher nicht nach Wien gefahren sind. Ich erinnere mich an eine längere Diskussion, weil mein Vater irgendwie nicht wollte, darin war er besonders stark, nicht zu wollen, was die anderen wollten, aber dann ging’s doch noch nach Wien.  Leider nicht in die Kunstmuseen aber doch nach Schönbrunn, war schon interessant das Schloss mal zu sehen, das man aus den Sissi-Filme kannte. Ich hatte die Gabe, habe sie heute noch, mir genau vorzustellen wie das Leben in den Gemäuern damals war, ich sah die Menschen sich darin bewegen. Dann die Hofburg und der Prater, die berühmte Wiener Hofreitschule wollte mein Vater wiederum nicht sehen, warum weiß ich nicht. All diese Stätte habe ich 15 Jahre später Sabine wieder gezeigt als ich meine Ausstellung in Wien hatte, mit meinem damaligen Galeristen Klimas. Das war ein besonders schönes Erlebnis meiner Liebe diese schönen Erlebnisse in gemeinsame Erinnerungen zu verschmelzen. Damals, wie auch 1985, besuchten wir auch den Stephans Dom. Dieses Gebäude, schwarz und düster seht es da, löste eine kalten Schauer bei mir aus. Ja und die Katakomben mit ihren aufgestapelten menschlichen Knochen, eine Kammer nur Schädel, hunderte Totenköpfe aufgestapelt wie Ziegelsteine, eine andere Kammer wieder nur Beinknochen usw. und sofort. Das war schon schaurig, aber auch der ganze Dom, riesig hoch und kalt, eiskalt und das im Sommer. Ich fragte mich, warum muss die christliche Religion eigentlich so kalt sein, muss der Gläubige in der Kirche sich fühlen wie ein kleiner erbärmlicher Wurm. Was ist das für eine schreckliche Religion. Muss sie ihre Mitglieder so drastisch einschüchtern, obwohl doch von ihrem Gründer Jesus Christus die Nächstenliebe gepredigt wurde. Was hat dieser schaurige eiskalte Dom mit der Bergpredigt gemein? Der Gott aus der Bibel ist nicht in diesem Dom. Diese Erkenntnis reifte in mir als 10-jährigen schon ohne mein Wissen, das ich mir zu dem Thema später auf der Uni angeeignet habe. Wir haben das als Kinder, ich meine die ganze Geschichte mit Jesus, tatsächlich geglaubt. Lemmy schreibt in seiner Autobiografie “White Line Fever” von der Doppelmoral der heiligen Kirche: “Wie kann es denn angehen, dass diese Leute den Menschen ernsthaft erklären, dass der Heiland von einer Jungfrau - die zudem von einem Geist geschwängert wurde - auf die Welt gebracht wurde? Und dieses Ammenmärchen ist die Grundlage für eine Weltreligion? Ich habe da meine Zweifel. Wenn Joseph das wirklich geglaubt hat, war es mehr als gerecht, dass er in Ställen schlafen musste.” (Lemmy - White Line Fever, Seite 11, 12). Doch als Kind hat man das geglaubt. Aber das war ja nur die Weihnachtsgeschichte, in der Kirche wieder schreckliche Fresken von der Passion Jesu, der blutüberströmte, gegeißelte Jesus in den Ecce Homo Darstellungen, die Dornenkrone in die Kopfhaut gedrückt und schließlich am Altar der gekreuzigte, zu Tode gefolterte Jesus, INRI über dem Kopf angeschlagen. Es erfasste einem als Kind schon mit Grauen diesen geschundenen Leichnam ansehen zu müssen. Was muss das für eine Religion sein, die ihren eigenen Gott bzw. seinen Sohn, der ja ebenfalls als Gott verehrt wird, so grausam behandelt. Dient es zur Abschreckung? Wenn Gott mit seinem eigenen Sohn so umgeht, wie dann erst mit den Menschen, fragt man sich. So baut man eine Angstszenario auf, dass das Volk schön klein hält, bloß nicht aufmucken. “Jesus ist für unser aller Sünden am Kreuz gestorben.” erklärte uns der Pfarrer im Religionsunterricht. Für unser aller Sünden? Also auch für meine, ich war mir keiner Schuld bewusst. Wann und wie sollte ich gesündigt haben, Herr Pfarrer? Ich hatte noch überhaupt keine Gelegenheit dazu. Jetzt kommen sie mit schwerem Geschütz, die Herren in ihren schwarzen Roben mit den komischen Krägen, DIE ERBSÜNDE. Ja was ist das denn nun, Erbsünde? Ich hatte also die Sünde bereits schon geerbt. Von wem eigentlich? Weil man durch Geschlechtsverkehr gezeugt wurde, das ist schon ein starkes Stück. Der Geschlechtsverkehr ist also die Sünde, wie soll die Vermehrung denn dann erfolgen? Durch den Heiligen Geist etwa? Das erklärt das Ammenmärchen mit der Jungfrauengeburt. Lemmy hörst du, die wollen dir deine Lieblingsbeschäftigung madig machen, deshalb erzählen sie solche Geschichten. Dieser sakralen Angst und Schrecken Kunst musste eine Antipode entgegengesetzt werden, dieser Gedanke reift in meinem Kopf im kalten Stephans Dom. Hier hatte meine spätere ARA- Performance schon eine frühe Inspirationsspur gefunden. Mein Jesus trägt jedoch Spitzenunterwäsche und Strapse.

 

Ich bin in diesen Urlaub als Kind mit Mittelohrentzündung gefahren und als junger Künstler mit einem ganzen Rucksack voller eigener Bildsprache und Inspirationen zurück gekommen. 

 

Die androgyn kritische Methode

 

Ich male nach der androgyn kritischen Methode. Die Sichtweise ist nicht geschlechtsspezifisch generiert, sondern entsteht alleine aus der Empfindung heraus, ohne geschlechtsspezifische Merkmale aufzuweisen. Die Bilder entstehen nicht aus der Sicht eines Mannes oder einer Frau, sondern aus der Sicht des reinen Geistes, indem man sich versetzten kann, mit Meditation und Selbstfindung. Mit Religion hat dies nichts zu tun, es entsteht allein auf der transzendalen Ebene. Gesellschaftliche, moralische oder ethische Reduktionsmechanismen werden dabei gänzlich ausgeschaltet, eliminiert, wie die Geschlechteraufteilung eliminiert wird. So gesehen zerstört der Sensitivismus, der nur allein auf der geistigen Wahrnehmung beruht, die gegenwärtige Gesellschaftsstruktur, die nur allein auf Trennung und Beherrschung aufgebaut ist, auf reinem Materialismus und Gleichgültigkeit. Diese Gesellschaftsform wird untergehen, und eine neue Gesellschaftsform wird entstehen, in der der Mensch ein Individuum ist, aber ein Individuum, das nicht ständig versucht  sich über andere Individuen zu stellen, diese nur für seien Zwecke auszunutzen. Diese Gesellschaftsform wird sich andere Regeln des Zusammenlebens aufbauen. Kriege wird es in dieser Welt nicht mehr geben. Ich denke, dies bleibt ein Traum, der sich in der sensitivistischen Bilderwelt eines einzelnen Künstlers widerspiegelt. Ein Traum, der geträumt werden muss.

 

Das Erfahrene veränderte folglich auch das äußere Erscheinungsbild des jungen Künstlers. Die langen Haare der Rockmusiker vom Österreicher Strand hatten es mir angetan. Ich lies meine Haare wachsen, musste ich bis dato regelmäßig zum Frisör um die Ecke um mir einen ordentlichen Kurzhaarschnitt verpassen zu lassen, mir ausrasiertem Nacken und Seitenscheitel, wehrte ich mich nun gegen diese Prozedur. Ich war in der vierten Klasse der Heddesheimer Grundschule und ab dieser Zeit sollte ich stets die  längsten Haare in der Klasse haben, von den Jungs und meistens auch von den Mädchen. Ab dieser Zeit trug ich immer kleine Slips, mit Spitze oder aus Seide mit Transparenz. Mutter kaufte sie immer für mich, damit sie auch richtig passten. Ich musste dies nicht verbergen, stand ich doch nicht nur voll dazu, mir erschien es die natürlichste Sache der Welt zu sein, nichts außergewöhnliches. Das trage ich so und mein Haar wächst so, das bin ich und basta. Hätte im Sportunterricht in der Umkleidekabine einer eine blöde Bemerkung abgesetzt, er hätte sich eine eingefangen. Mott The Hoople singen in ihrem Song All The Young Dudes: “She Looks like a queen, but she can kick like a moule.” Damit ist alles gesagt. Meinen Mädchenbekanntschaften hatte es auch immer uneingeschränkt gefallen, trug ich doch stets schönere Slips als sie selbst. Das war die neue Ikonographie, die Antipode der sakralen Verklemmtheit. Später habe ich sie auf meine Leinwände aufgeklebt, die Slips nicht die Mädchen. Gegen eines war ich jedoch machtlos. Als Oma eines Tages einen meiner Slips entdeckte, hielt sie ihn sofort aus dem Fenster, an dem sie üblicherweise mehrere Stunden des Tages lehnte um mit Passanten die ortsüblichen Gespräche zu halten, und die Worte kamen aus ihrem Mund heraus wie herabfallende Kirchenglocken: “Guckt ämol, was de Ormin fer klone Unnerhosse ohott.”  (Schaut mal alle, was der Armin für kleine Unterhosen trägt). Vater war von dieser Aktion wenig begeistert. 

 

Das Ende der sogenannten Orientierungsstufe wollten wir mit einer richtigen Party feiern. Wir waren jung und richtig wild darauf. Bis auf wenige Spaßverderber, die es überall gibt. In unserem Fall war es der Sohn des ortsansässigen evangelischen Pfarrers, ausgerechnet in dessen evangelischen Gemeindehauses sollte die Party stattfinden. Die Miete war frei und man konnte völlig ohne jedwede Aufsicht feiern. Johannes des Pfarrers Sohn feierte nicht mit, obwohl Mitglied der Klassengemeinschaft. Nun vermisst hat ihn niemand wirklich. Ich war ziemlich aufgeregt vor der Party, zum einen, da ich der Organisator war, aber auch wegen des zu erwartenden Tanzens. Tatsächlich wollte ein Mädchen aus der Parallelklasse mit mir tanzen, und sie wollte Blues tanzen. Hatte ich bis dato noch nicht gehört, ich stand bekanntlich auf Rock und war als bekennender T.Rex Fan geprägt. Ich konnte hervorragend mit meiner Gitarre umgehängt mimend ein abendfüllendes Rockkonzert geben (immer Donnerstag Abend, wenn meine Elterngeneration wie Usus in Lampertheim verweilte), aber Blues tanzen, das war neu. Das Mädchen, ich habe ihren Namen nicht behalten, hat mir die notwendigen und zugegebenermaßen einfachen Schritte sehr schnell beigebracht. Sie hatte auch eine Landspielplatte mit Original Bluesaufnahmen mit zur Party gebracht und so konnte es ungehindert los gehen. Ja, ich hatte schon mit Ute im Hof meiner Omas Hauses getanzt, irgendwie so eben. Aber das war etwas ganz anderes. Das Mädchen, es trug Jeans und T-Shirt, ohne BH, schmiegte sich ganz eng an mich. Blues wird ganz eng getanzt, ganz eng, die Betonung liegt auf ganz. Uns wurde sehr warm beim Tanzen und das Mädchen begann zu schwitzen. Aber der Duft, der nunmehr von ihrem Körper ausströmte war keineswegs unangenehm, er war voller Pheromone und betörend. Oben umströmte ihr Pheromongeschwängerte Duft meine Nase und unten rieb sich ihr Unterleib an dem meinen. Bei mir schwollen in dieser aufgeheizten Situation nicht nur meine Nasenflügel an. Meine Erektion drohte vielmehr meine Jeans zu sprengen, was ihr natürlich in keiner Weise verborgen blieb, sie rieb sich nur umso stärker an der entstandenen Schwellung in den tieferen Lagen der Bluesmusik. Wir tanzten auf diese emotionale Art und Weise den ganzen Nachmittag miteinander und immerfort nur zusammen. Ich war der Cosmic Dancer: “I was dancing when I was twelve…”*

 

* Textzeile aus Cosmic Dancer von Marc Bolan erschienen auf dem Electric Warrior Album von 1971.

 

Blues war von nun an absolut mein Ding, ich musste unbedingt einen Blueslangspieler kaufen, den ich künftig mit auf Partys nehmen konnte. Der Duft des Mädchen blieb mit ebenfalls tief in Erinnerung. Es wird viel zu häufig mit Parfum der natürliche Duft des Körpers übertüncht. Im Film “Das Schweigen der Lämmer” ruft ein Mithäftling von Hannibal Lector, als die junge Kommissarin diesen in seiner Gefängniszelle besucht ,beim Vorbeigehen: “Ich kann deine F…. riechen.” Also er kann ihr Geschlechtsteil riechen. Hannibal sagte darauf, dass er dieses nicht vermag. Doch man kann es. Aber nur wenn nicht alles überladen mit Parfum und Deo zugeschüttet wurde. Jetzt ganz klar, man muss sich täglich waschen und auch Deo und Parfum benutzen, eine Stinksau riecht man 10 Meilen gegen den Wind, das ist kein Kunststück, aber eben das geschickte Gleichgewicht, den eigenen Körpergeruch nicht völlig zu unterdrücken, darauf kommt es an. Die Pheromone müssen sich entfalten können und ihre Wirkung ausbreiten. Diesen Duft, die daraus resultierenden Empfindungen, versuche ich in meiner Kunst zu manifesten. In der Malerei, die Pheromone geradezu plastisch darstellt und auch in der Musik, ein Ton, eine einzige Note, die für Tausende Empfindungen steht, diese im Unterbewusstsein abruft und wieder aktuell neu entstehen lässt. Das Ideal, man hört einen Ton und riecht gleichzeitig einen Duft wieder, den man vor vielen Jahren in die Nase bekommen hat, ebenso sieht man in einem Bild eine Farbstruktur, einen expressiven Pinselduktus und hat plötzlich ein ganz anderes Bild aus der Vergangenheit vor dem geistigen Auge und den dazugehörigen Duft in der Nase. Das muss natürlich nicht zwangsläufig der Duft des weiblichen Geschlechtteils sein, eine Blumenwiese, die Meeresbriese können gleichfalls dazugehören. Obgleich der erstgenannte Duft doch der spannendste bleibt. Egal was man jetzt wieder für Vorwürfe gegen meine Rede aufkommen lassen wird. Der Duft spielt in der Malerei, wenn sie eine sensitivistische ist, eine große Rolle. Alle Gefühlsreflektionen, konspirative Auslöser von Inspirationsgedanken wirken so miteinander, Gerüche, Töne und optische Reize bilden das meditative Zentrum des sensitivistischen Gedankengutes. Der Künstler sucht diese Inspirationsauslöser und führt sie wie in einem Brainstorming den Antipoden seiner Psyche zu, um final zur einzigartigen meditativen Trance zu gelangen, der Geburtsstunde des Inspirationsgedankens. “He´s satisfying the thought´s breed” *

 

*Textzeile aus “Life in Champagne” autobiographisches Lied von Armin Schanz

 

Das Mädchen habe ich auf dem Gymnasium nach den Sommerferien leider nicht wieder gesehen. Aber ich hatte wieder einen neuen Mosaikstein in meiner Bilderwelt, die nun auch von der Weiblichkeit des Duftes inspiriert wurde und Empfindungen suggeriert oder auch tatsächlich auslösen kann.

 


Armin Schanz

(April 2017)

Essay: Objets trouvées, Armin Schanz 2020

Essay: Objets trouvées 

 

Objets trouvées haben in meiner Kunst eine besondere Bedeutung, man kann schon behaupten sie sind von so immenser Bedeutung, dass sie elementar sind. 

Der Künstler in seiner archaischen Sinngebung ist Jäger und Sammler, primär und sekundär jagt er seine Motive, die aus einer Inspiration heraus entstehen, welche wiederum in einem sinnlichen Reiz ihren Ursprung hat. Dieser sinnliche Reiz kann in etwas optischem ausgelöst werden, der Blick auf etwas was ihn wie ein Stich in den Körper trifft. 

Das Objets trouvées ist keineswegs beliebig, es hat einen direkten Bezug, der in dem Gegenstand anheim ist, Bezug zum Dargestellten, zum Darstellenden, Maler und Model. Es trägt eine Geschichte, ein Gefühl, einen Fetisch in sich und überträgt dieses auf den Betrachter, sofern er sich darauf einlässt. Man kann hierbei besonders an Gegenstände denken, die der oder die Dargestellte direkt in de  Händen gehalten, insbesondere natürlich getragen hat. Ich wähle besonders hierbei so genannte Leibwäsche, also Unterwäsche, Slips, Büstenhalter, Strümpfe und Strumpfhosen, die getragen wurden vom Modell auf dem entsprechenden Bild. 

Werkbeispiel „In your fashions of fate"

Dargestellt ist eine junge Frau mit kurzen blonden Haaren, im Hintergrund etwas verschwommen Balletttänzerinnen. Sie trägt ein Korsage in rot und schwarz mit Spitzen verziert. Die Korsage ist in Öl gemalt, der zur Korsage passende Slip jedoch ist real, ein Objets trouvée, vom Modell getragen. Hier ist der Bezug direkt und unmittelbar gegeben, ein Kleidungsstück, welches von der Dargestellten unmittelbar getragen wurde, also den direkten und körperlichen Kontakt hatte, ist nicht etwa gemalt, sondern als Objekt mit im Bild fixiert. Es ist also nicht irgendein Slip aus dem Altkleidersack, es ist vielmehr der eine Slip, der wenn er gemalt wäre, jener wäre, der zu malen genötigt sei. Also das Modell trug den Slip und dieser ist Bestandteil des Bildes, man kann ihn haptisch erfassen. Auch das Modell würde ihn wiederkehren als jenen Slip, den sie angezogen hatte, als sie Modell stand. Dies ist mir wichtig bei einem Objets trouvée, der intime, persönliche Bezug, also kein zufällig gefundenes Stück. Hier ist jetzt nicht unmittelbar ein erotischer Effekt gemeint, einzig der persönliche Bezug, in diesem Fall, der des Dargestellten. Der Bezug kann sich gleichwertig auch auf den Maler beziehen. Er selbst hat das Objekt getragen oder es hat einen persönlichen Erinnerungswert für ihn, auch einen Fetisch. In diesem Fall ist dann auch ein Ersatzgegenstand möglich, welcher den Bezug zum betreffenden Fetisch darstellt. 

Das Objets trouvée ist jedoch keine Einbahnstraße. Es kann ebenso bei dem zufälligen oder bewusst aufmerksam gewordenen Betrachter ein Déjà-vus auslösen. An ein Ereignis wird erinnert, ein Fetisch wird ins Bewusstsein gerufen. Dies kann zufällig geschehen,  aber auch ganz bewusst vom Betrachter gesucht worden sein, oder auch vom Künstler gezielt impliziert sein. Oft weiß man gar nichts vom eigenen Fetisch, da dieser nur latent vorhanden ist und nicht gelebt wird. Das Bild mit dem bestimmten Objekt zieht einem wie magnetisch an, man weiß nicht warum. Diese Wechselwirkungen sind es, die diese Objets trouve so spannend und wirk6ngsvoll machen.

Der für den Künstler natürlich intimste Moment ist es, wenn er ein persönliches Objekt, welches er im Idealfall am eigenen Körper getragen hatte, möglich sogar während des Malaktes anschließend in das Bild einfügt. Die persönliche Identifikation muss nicht zwingend ein Leibwäschestück sein, ich habe beispielsweise gerne einen Briefumschlag von  meiner am Tag des Malprozesses erhaltenen Post auf meine Leinwände aufgeklebt, oder Münzen, die sich noch in meiner Hosentasche befanden. Dies gibt den direkten Bezug zu Arbeitsprozess. In einem Gemälde von Vincent van Goch fand man in der Farbschicht einen Käfer, bei anderen auch Blütenblätter. Man wertete dies als den direkten Beweis,  dass er wirklich auf dem freien Feld gemalt hat. Auch dies ein Objets trouvée doch gut möglich, dass van Goch den Käfer absichtlich mit der Farbe aufgenommen und auf der Leinwand fixiert hatte, um ein Stück Realität mit einzubauen, oder einfach weil in  gerade danach war. So oder so, Objets trouvées erzählen Geschichten, stellen Beziehungen her und verbinden. 

Ein Objets trouvée kann aber auch vereinnahmen oder beeinflussen. 

 

Die Dekade zwischen Mannheim und Amsterdam, Armin Schanz 2020

Die Dekade zwischen Mannheim und Amsterdam

Das erste Mal in Amsterdam war Armin Schanz mit dem Kunstleistungskurs in der Oberprima 1981, er war sofort von dieser Stadt fasziniert und gefangen. Das multikulturelle Leben, Kunst allgegenwärtig, auf der Straße und im Museum zogen ihn in ihren Bann. Ihm war klar, dass er wiederkommen wird.  

1983 war es dann auch soweit, Sabine und Armin Schanz, nun frisch verheiratet quartierten sich im Hotel Wiechmann in der Rozengracht, mitten im alten Stadtkern von Amsterdam, ein. Diese gute Woche war einschneidend für die Entwicklung der Kunst von Armin Schanz. Das Paar verbringt nun jährlich einige Wochen in dieser Metropole, wobei der Künstler vor Ort seine ausgefallene Kleidung, die Bestandteil seines Konzepts des Gesamtkunstwerk ist, in den zahlreichen Boutiquen findet. Nach der Heimkehr entwickelt er aus den psychischen Erlebnissen seine neuen Stilelemente, die er sensitivistische Malerei nennt, weil sie aus der Übersteigerung der Empfindungen heraus entsteht. In seiner festen Überzeugung verfasst er „Das  Manifest des Sensitivismus“. Ebenso nimmt er sich seinen in den 70er Jahren begonnenen Film wieder vor. Mit nun anderer, der sensitivistischen Sichtweise, erscheint das bisher gedrehte in anderem Licht. Die Zusammenhänge verteilen sich neu und konfigurieren eine völlig anderes Storyboard. Während er die früheren Aussenaufnahmen im Viernheimer Wald und in einem kleinen Wäldchen zwischen Mannheim und Heddesheim gedreht hatte, dreht er jetzt im Odenwald.  Viele neue Szenen werden hier und in seinem Atelier gedreht. Er hatte einen völlig neuen Film geschaffen, keinen surrealistischen, sondern den ersten sensitivistischen Film überhaupt. Eine Reminiszenz an den surrealistischen Film von Luis Bunuel und Salvatore Dali enthält er dennoch, wobei die Szene hier eindeutig sensitivistische Charakteristika aufweist. Die weibliche Protagonistin steht alleine in einem Schlafzimmer und betrachtet ihre üppigen Achselhaare, im selben Moment betritt ein Mann mit Hut und Krawatte durch die geöffnete Tür das Zimmer. Die Frau erschrickt dabei, als sie daraufhin wieder in ihre Achselhöhle schaut, stellt sie fest, dass die Haare verschwunden sind, die Achselhöhle ist völlig kahl. Sie legt sich daraufhin auf das Bett und lacht den Eindringling lauthals aus. 

Der Kontakt zum Politischen Kabarett in der Klapsmühl' am Rathaus bringt Armin Schanz in den Mittelpunkt der Mannheimer Kulturszene. Die beiden Hauptakteure des Theaters Christel Aderhold und Klaus-Jürgen Hoffmann erleben bei einem Besuch im Schanz‘ Atelier die Uraufführung des Film „Die geheimen Empfindungen“ mit kritischem Sachverstand. Im Gegenzug sind Sabine und Armin Schanz die einzigen Zuschauer in der Generalprobe von Hoffmanns neuem Soloprogramm.  Die gegenseitige Inspiration prägt diese Beziehung der beiden Künstler. Zu dieser Zeit lernte er auch einen Malerkollegen kennen, ein Unikum, er lebte in den Kellerräumen unterhalb der Buchhandlung seines Bruders, der ihn auch finanziell unterstütze. Ein Verhältnis, das stark an Van Gogh erinnert, aber typisch war für die Zeit.  Seine Malerei war um so impulsiver, als diese von Schanz glatt und realistisch zurückgenommen im Duktus war. Eine gegenseitige Inspiration konnte nicht entstehen. Aber der bärtige Maler erzählte Schanz von seiner Statistentätigkeit am Mannheimer Nationaltheater und den ihm so möglichen Studien der Schauspieler hinter der Bühne. Ohne Zögern wurden Sabine und Armin Schanz daraufhin Statisten an der renommierten Mannheimer Bühne. Diese Erfahrungen sowohl hinter der Bühne, im Casino, in den Pausen, als auch auf der Bühne, waren sehr inspirierend für den jungen Künstler. Das Studium der Gesichter, den Habitus, vor 

allem die Verwandlung der Schauspieler vor und hinter der Bühne prägte seineMenschendarstellung. Aufgrund seines Alters und seines sportlichen Körperbaus wurde er selbst jedoch vorrangig in der Statistenrolle des Nazi-Schergens besetzt, was ihm als Pazifist entgegen stand. Er lernte den Kunsthistoriker Dr. H. Borgmann kennen, welcher ihn in seinem Atelier besucht. Borgmann erkennt die Einflüsse der Neuen Sachlichkeit im Werk von Armin Schanz und vergleicht ihn in seiner bestechenden Genauigkeit und Intensität in der Darstellung des Menschen mit Christian Schad. Beeindruckend ist für ihn aber nicht zuletzt seine Methodik des meditativen Inspirationsgedankens. „Bilder von hoher Intensität und Sensibilität sind das Ergebnis einer solchen Methode.“ Zitat Dr. H. Borgmann, 1984. Borgmann schreibt für mehrere Zeitungen und Zeitschriften Artikel und er widmet seiner neuen Entdeckung ein mehrseitiges, reichlich bebildertes Essay im Mode- und Lifestyle Magazin „Trend". Es erscheint im gesamten deutschsprachigen Raum in großer Auflage. Armin Schanz ist plötzlich weit über die regionalen Grenzen bekannt. 

Die folgende Ausstellung in der Klapsmühl‘ erregt großes Aufsehen in Mannheim,  viele Besucher sind begeistert von der Vielseitigkeit der Werke, den besonderen Ausdrucksformen. Gerade diese bringen aber wieder andere geradezu auf die Palme. Die gesamte Kritik macht sich plötzlich an den Bildtiteln fest, die bei Schanz ausschließlich  in der englischen Sprache verfasst sind. Das Aquarell „The prayer“ erhitzt zudem die Gemüter. Da läutet bei Armin Schanz das Telefon, am anderen Ende ist Frau Dr. Christel Heybrock, ihres Zeichens Leiterin des Feuilleton des Mannheimer Morgen und gemeinhin als die Kulturpäpstin Mannheims  tituliert. Sie will unbedingt diesen jungen Künstler persönlich kennenlernen. Man verabredet sich im Cafe Herrdegen, Schanz gibt an als Erkennungszeichen sein goldenes Jacket zu tragen, der Beginn einer sehr wichtigen Beziehung in seiner Karriere. Frau Dr. Heybrock ist völlig begeistert von dem Auftreten des Künstlers, der neben seiner auffälligen Kleidung zusätzlich leicht geschminkt in dem renommierten Cafe aufschlägt. Die Chemie stimmt sofort und künftig unterstützt und protegiert sie ihn. Aber auch ein Journalist der Rhein-Neckar-Zeitung meldet sich mit einem Interviewwunsch. Er wurde von allen nur Pauli genannt, verabredet wurde sich in der Kneipe am Freilichttheater. Nach dem Interview besuchten sie noch die Vorstellung im Theater, da Pauli auch darüber schreiben musste. Pauli war besonders von dem umstrittenen „The prayer“ angetan und kaufte das Aquarell noch am gleichen Abend. Man zog noch durch das Mannheimer Nachtleben und landete schließlich im Cafe Melange in der Mannheimer Neckarstadt, ein Szenetreffpunkt. Pauli organisierte sogleich eine Ausstellung für Schanz im Cafe. Armin Schanz zeigte dort vorwiegend seine fotografischen Arbeiten und führte mit seiner Muse Sabine gemeinsam die „Brainstorm Performance“ vor. Beide betreten die kleine Bühne inmitten des Lokals, Sabine trägt eine ärmellose Bluse und zeigt dem anwesenden Publikum ihre rechte, rasierte Achselhöhle. Die Rasur der Achselhöhlen war in den frühen 80er Jahren nicht unbedingt üblich und so stellte dies beim Publikum schon eine gewisse Herausforderung dar. Schanz beginnt nun damit in diese Achselhöhle eine Zeichnung mit schwarzen und weißen Stiften anzufertigen. Es ist die phantastische Gestallt aus dem Gemälde „The witch of the midnight abbey". Die fertige Zeichnung wird wiederum dem Publikum präsentiert, während der Künstler in einem Gefäß selenruhig blaue Farbe anrührt. Er übermalt nun die Zeichnung mit der blauen Farbe und zerstört sie dadurch wieder, unter den erstaunten Augen des Publikums. Zum

 

Ende der Performance hat Sabine blaue Achselhöhlen, die sie wiederum durch die Reihen schreitend, präsentiert. Ungläubige Gesichter im Publikum. „Salvatore Dali schreibt in seiner Autobiographie ‚The  secret life of Salvatore Dali‘ vornehme Frauen haben blaue Achselhöhlen, also mussten die Achselhöhlen von Sabine blau und nur blau eingefärbt werden. Dali meinte damit natürlich den blauen Schimmer welcher deren Achselhöhlen zierte, welche eben nur die Damen der feinen Gesellschaft in Spanien Anfang des 20.Jahrhunderts rasierten. Da sie als Südländerinnen zumeist eher kräftigere und schwarze Körperbehaarung haben, schimmert die rasierte Haut bläulich. Die blauen Achselhöhlen haben mich fasziniert. “ Zitat Armin Schanz.

Das Cafe ist gut besucht, alle wollen den jungen, androgyn auftretenden Künstler in seinem ausgefallenen Kleidungsstil persönlich sehen. Das Szenelokal wird an diesem Abend auch gut besucht von den Frauen,  welche im nahegelegenen Rotlichtviertel Mannheims ihren Lebensunterhalt verdienen. Auch sie sind kunstinteressiert und feiern den Abend der Vernissage ausgelassen mit. Schanz kann so lebensnah diese Seite des Mannheimer Nachtlebens studieren und in seine Bilderwelten einfließen lassen. 

„Gefeiert wurde nach der offiziellen Vernissage bis in die frühen  Morgenstunden, das Cafe hatte ja keine Sperrstunde. Im Laufe des Abends hatte mich dann der kleine Schoßhund einer Besucherin in die Hand gezwickt. Eigentlich nicht der Rede wert, aber die Besitzerin orderte sofort beim Wirt den teuersten Whiskey, den er in der Bar hatte um damit meine Wunde zu desinfizieren. Die Flasche verließ, lediglich als Leergut zu gebrauchen, unseren Tisch. Wir waren plötzlich ganz tief drinnen in der Mannheimer Szene, einmal die Hochkultur als Statisten beim Nationaltheater und in der Subkultur der Neckarstadt. Ich hatte die idealen Möglichkeiten die unterschiedlichsten Menschencharaktere aus nächster Nähe zu studieren.“ Zitat Armin Schanz. 

Ebenfalls durch seine Ausstellung im Café Melange lernt er über einen Fotografen seinen Baden-Badener Galeristen kennen. Dieser veranstaltet national und internationale Gruppenausstellungen und Kunstmessen. Es folgen gemeinsame Ausstellungen in Paris, Wien, Bonn und Düsseldorf, eine Zeit in der Schanz viele Erfahrungen auf dem nationalen und internationalen Ausstellungmarkt sammeln kann, aber auch einige Skandale in seiner Vita platziert. Für die Ausstellung in Wien schickt Frau Dr. Heybrock die bekannte Fotografin für Kunst Anna-Luise Marz in Schanz´ neues Atelier in Mannheim um Fotos für einen Artikel im Mannheimer Morgen zu machen. Die Chemie stimmte ab der ersten Sekunde und Schanz hatte eine weitere Förderin sein Kunst an exorbitanter Position gefunden. Er zeigte ihr seine neusten Werke, die sie auch fotografierte, doch dann entdeckte  Frau Marz das große Selbstportrait „What's it like to be a loon…“ und wollte unbedingt dieses Gemälde ablichten. Das großformatige Ölgemälde auf Leinwand zeigt den Künstler in androgynen Habitus im Adamskostüm. Die Zweifel selbigen wegen der Veröffentlichung im Feuilleton der Tageszeitung ließ Frau März nicht gelten: „Frau Heybrock macht das!“ Das Foto erschien im Feuilleton des Mannheimer Morgen und der Weinheimer Nachrichten, und das Echo war so laut, dass es selbst sein Galerist in Baden-Baden noch hörte. Zahlreiche Leserbriefe empörter Leser erreichten die Redaktionen, Ex­hi­bi­ti­o­nismusvorwürfe waren noch das harmloseste. In Briefen, welche den Künstler an seiner Privatadresse erreichten, wurde schließlich betont, dass solche Künstler wie er einer sei zu „anderen Zeiten" in ein KZ eingeliefert wurden. „Ich kann hierfür nur mit Rene Magritte sprechen, der meinte eine gemalte Pfeife ist keine Pfeife, da man diese nicht stopfen kann,

ceci n'est pas une  pipe.“ Zitat Armin Schanz. Sein Baden-Badener Galerist war von der Resonanz mehr als angetan und er wünschte sich die gleiche Aufmerksamkeit auch für die Ausstellung in Bonn. Er sollte es bekommen, aber in Potenz. Nur in Bonn war der Ausstellungsort das Konrad-Adenauer-Haus, die Parteizentrale der CDU. Deren Hausherr Helmut Kohl was not amused und sein Generalsekretär Heiner Geisler brachte nun den Galeristen wegen Verbreitung pornografischer Schriften vor den Kadi. Als die Causa in die dritte Instanz geht, bekommt der Galerist kalte Füße und versucht möglichst den Deckel darauf zu halten, während der Künstler dies als Teil seines Gesamtkunstwerkes sieht und dazu tendiert dies publik zu machen. Er bricht mit seinem Galeristen, für die kommende gemeinsame Ausstellung in Düsseldorf für die er ursprünglich seine neue „ARA"Performance geplant hatte, setzt er aus gelebtem Protest die „White Wall“ Performance,  i.e. er stellt leere Wände aus. Der Galerist ist kompromittiert. Sie sollen sich später aber wieder versöhnen und erfolgreiche Ausstellungen gemeinsam ausrichten.

Er stand allerdings jetzt nicht ohne Galeristen da, Frau Marz hatte den Kontakt zu Helmut Linde, zu der Zeit der obersten Riege der Mannheimer Galeristen angehörig, hergestellt. Nach erster Skepsis war dieser begeistert von dem jungen Talent und seinem eigenwilligen Stil. Eine große Einzelausstellung im Künstlerkeller Gutenberg für 1987 wurde geplant.  

Bei einem seiner regelmäßigen Aufenthalte in Amsterdam lernte er den Kunstprofessor Wim Vonk kennen. Dieser war von den dominierenden männlichen Akten dieser Zeit in seinem Werk, sehr angetan. Besonders lobte er den eigenwilligen Duktus seiner Malerei. Waren ja gerade die männlichen Aktdarstellungen, welche ihm in Deutschland einige Schwierigkeiten bereitet hatten. Professor Vonk setzte sich für Armin Schanz an der Rijksakademie van beeldende kunsten in Amsterdam für ein Stipendium ein. Er sollte für zwei Semester bei ihm in einem Atelieraufenthalt arbeiten und seine Kunst weiterentwickeln.  Schanz nahm sich an seiner Universität in Heidelberg zwei Freisemester und ging an die Amsterdamer Akademie und zu Professor Vonk. 

„Unsere Ateliers befanden sich im Pakhuis de Schottenburch, ein ehemaliges, altes Lagerhaus, groß, verwinkelt, etwas heruntergekommen und nicht gerade in der feinsten Gegend von Amsterdam.  Aber dadurch auch passend, das richtige Ambiente um sich von Gesellschaftsnormen zu verabschieden und neue singuläre Kunst zu entwickeln. Um dort hin zu kommen, musste man das bekannte Amsterdamer Red Light District durchqueren. Da kam man nicht umhin so einiges zu sehen. Diese Atmosphäre war schon interessant für meine Bildfindungen. Besonders reizte mich der Umstand, dass in den damals populären Peepshows es separate Kabinen gab für sogenannte Soloprogramme. Diese musste ich inspizieren und für meine fotografischen Arbeiten dokumentieren. Also schlich ich mich heimlich mit meiner Minox bewaffnet in eine der Kabinen. Drinnen ein kleiner Raum für den Kunden, dann eine Trennscheibe, dahinter ein Sessel, der wie ein Thron erhöht auf dem Bretterboden stand, schäbig zwar, aber doch in einer besonderen Art und Weise erhaben. Alles in rotes Licht getaucht, schummerig, das Billige zu kaschieren im Versuch gescheitert.  Die Scheibe wies an exponierter Stelle ein kreisrundes Loch, der Phantasie über ihren Nutzen freien Lauf lassend, auf.  Auch die Rolle mit dem Wisch und Weg Papier fehlte nicht zu dieser Assemblage. Es war mit großem Risiko verbunden vom Aufsichtspersonal oder den auf Kundschaft wartenden Damen 

 

erwischt zu werden, aber mir gelang es dennoch mit der kleinen Minox und available Light zwei Aufnahmen zu schießen und schnell den Ort wieder zu verlassen. Aber, ja, ich hatte die Aufnahmen im Kasten.“ Zitat Armin Schanz.  Sein Malstil verändert sich unter den multiplen Einflüssen schnell, er entwickelt eine eigene Variation des Pointismus  indem er die Farben mit einem zerfaserten Pinsel rhythmisch mit der Musik auf die Leinwand aufschlägt. (Gemälde „Hysteria“ und „Experience; Psychadelic Fall“, 1986). Diese Gemälde sind von kräftiger, psychedelischer  Farbigkeit. Schnell schwindet die Farbe gänzlich und seine Gemälde sind eingefrorene Momentaufnahmen in den Nichtfarben Schwarz und Weiß. Er hatte seinen neuen Stil gefunden.  

„Bilder, die unter die Haut gehen. Ein Robert Longo aus Mannheim ?!!" (Dr. Kurt Unold, Die Rheinpfalz, Feuilleton)

Irritierend an  den neuen (wie  an den älteren)  Arbeiten des Erotomanen Schanz ist vielmehr,  daß sich Sexualität als  schöpferische Phantasie in einem eigenartigen, diffusen  Grenzland abspielt,  in dem es keine festen Rollenzuweisungen gibt.  Androgyne Erfahrungen von Zärtlichkeit,  spielerisches Austauschen von Requisiten und Körperfunktionen innerhalb einer Paarbindung, das alles gibt den Arbeiten des Mannheimer Künstlers eine besondere Sanftheit,  ein kindhaftes Schweifen, hier ist der Mann? Wer ist die Frau? Welches Gesicht verbirgt  sich hinter der Maske,  welcher Körper im Spitzenteddy? Fragen und Möglichkeiten,  die bis zu mythischem Schrecken  vordringen  können, aber zu schwebender Unschuld zurückkehren." (Dr. Christel Heybrock, Kunsthistorikerin, Feuilleton Mannheimer Morgen)

Frau Heybrock ist besonders an seiner künstlerischen Arbeit jenseits des klassischen Tafelbildes interessiert und rät ihm mehr Konzentration auf seine Fotoarbeiten besonders in Schwarz/Weiß zu legen und seine Performancekunst besonders im Videobereich zu fokussieren. Gemeinsam schauen sie seine Fotoarbeiten durch und diskutieren stundenlang die verschiedenen Abzüge. Zur gänzlichen Hinwendung zu reiner Fotokunst kann sich Schanz jedoch nicht entschließen, die haptische Arbeit an der Staffelei kann und will er nicht aufgeben, ihr bleibt er immer treu,  auch wenn er heute viele digitale Arbeiten anfertigt. „Ich brauche den Geruch der Ölfarben und der Schmelz meines geliebten Venezianischen Terpentinharz ist mit nichts vergleichbar“ Zitat Armin Schanz. Aber er kann sich eine Fernsehkamera nebst portablen Aufzeichnungsgerätes anschaffen und kann seine filmische Leidenschaft nun mit diesem neuen Medium ausleben und experimentieren. Es entstehen expressive Videoperformance, mit denen er in den 80er Jahren Neuland betritt. Sein erstes Projekt ist „Astounding tragedies" mit Sabine in der Hauptrolle. Das Video beruht auf der „Brainstorm Performance“, die beide 1984 im Cafe Melange aufgeführt hatten. Er dreht noch ein Künstlerportrait von sich selbst, das ihn auch bei der Arbeit im Atelier zeigt. 

Seine neusten Werke und die beiden Videotapes zeigt er 1987 im Künstlerkeller Gutenberg bei Galerist Helmut Linde. Er musste hierfür sein eigenes portables Fernsehgerät mit in die Galerie bringem und konnte so mit seinem Aufzeichnungsgerät die Tapes wiedergeben. Etwas Improvisationstalent war in den 80er Jahren des 20.Jahrhunderts von Nöten um neue Medien dem interessierten Publikum vorführen zu können. Die Ausstellung wurde zum überragenden Erfolg für Schanz und Linde und so beschloss man in 5 Jahren wieder eine gemeinsame Ausstellung im Künstlerkeller zu veranstalten. Dazu sollte es jedoch nicht mehr kommen. Linde behielt einige Blätter von

Schanz in seiner Galerie und konnte auch diese gut verkaufen. In die Laufbahn des Künstlers trat nun der Mannheimer Galerist Dieter Dietrich, der von seinen Freunden nun Didi genannt wurde, er hatte seine Galerie in der Schwetzinger Vorstadt. Schanz war eine Größe in Mannheim geworden, gab Zeitungs- und Radiointerviews. Er experimentiert mit dem neuen Medium Video auf vielfache Weise. So entwickelt er eine Technik mit der er seinen Schmalfilm „Die geheimen Empfindungen“ auf Video abtasten kann um auch diesen in die neue Zeit mit hinüber nehmen zu können. Seine neuste Videoperformance „Andromeda our fade is one“ hat seine Uraufführung in der Galerie in der Schwetzinger Vorstadt. Er ist in diesem Video Protagonist und Selbstdarsteller, in seiner Auseinandersetzung mit der jungen Prinzessin Andromeda, die dem Tode geweiht in letzter Minute von Perseus gerettet wird, kämpft er unter Wasser mit der Atemluft. Er verwandelt sich im Laufe der Videozeitachse von der Erscheinung einer Frau in einen Mann und ertrinkt schließlich in den Augen der Zuschauer. Der Retter Perseus erscheint nackt mit Maske und lässt sich eine rote Flüssigkeit (Blut?) über den Unterleib laufen. Die an den Fels geschmiedete Andromeda ist eine Barbiepuppe, die Herr der Flammen wird. Ein Sponsor stellt dieses Mal das nötige Equipment für die Vorführung zur Verfügung. Als der Galerist im Stadtteil Neckarau seine neue Galerie eröffnet, präsentiert Schanz eine Life-Performance in den neuen Galerieräumen. Er ließ einer jungen Frau von einer Kosmetikerin ein Brustschild auf den nackten Oberkörper malen und filmte dieses gleichzeitig mit seiner Kamera. Die gesamte Aktion wurde mitten in dem Vernissagenpublikum der Galerie durch geführt. Die Reaktionen im Publikum waren differenziert, die meisten trauten sich nicht so genau hinzuschauen, um nicht als Voyeur dazustehen, vermutlich ausgelöst durch die sehr präsente Kamera. 

Den Sommer 1988 verbringen Sabine und Armin Schanz wieder in Amsterdam. Der Künstler in in seiner Inspiration stark auf die Videoperformance eingestellt, neue Ideen und Experimente durchstreifen seine Imaginationen. Zurück im Atelier verbringt er Tage und Wochen mit der Kamera in der Hand. Er muss dabei alle Effekte und Bildmanipulationen während den Aufnahmen sofort durchführen, da eine Postproduktion, also die Nachbearbeitung der Videoaufnahmen, zu dieser Zeit nur sehr eingeschränkt möglich ist.

 Im Mannheimer Kunstverein fanden 1988 die ersten Galerietage statt, ausgewählte Galerien konnten ihre besten Künstler dort vorstellen. Dieter Dietrich schickte für seine Galerie Armin Schanz. Er zeigt großformatige Schwarz/Weiß-Gemälde auf Leinwand und Mischtechniken auf Holz und als einziger der ausstellenden Künstler eine Videoinstallationen. Der Kunstverein mit seiner großen Ausstellungshalle in der Mannheimer Augustaanlage hatte nicht die technischen Möglichkeiten für diese Form der Kunst, man war noch im Tafelbild und klassischer Skulptur verfangen und Ratlosigkeit breitete sich aus. Auch der Galerist hatte keine Idee  wie man verfahren könnte, die Möglichkeit ausschließlich Gemälde zu zeigen schien ihm eine Option zu sein.  Nicht jedoch den rebellischen Künstler, der Kompromisse hasst und rigoros ablehnte. Entweder die Videoinstallation und dazu Gemälde, oder er ist nicht dabei. Kurzerhand leiht er sich in einer Videothek ein Videoabspielgerät, fertig eine Kassette aus hochwertigem Videoband, die in Endlosschleife seine Videotapes wiedergeben konnte und …. fehlte noch der Monitor. Sein eigenes TV-gerät würde umfunktioniert und in die Kunsthalle transportiert. Der Hausmeister im Kunstverein baute die passenden Sockel und legte die Stromversorgung und somit war die 

 

Videoperformance gerettet.  Sabine und Armin Schanz hatten für 4 Wochen eine Fernsehfreie Zeit. Die Mühe hatte sich allerdings gelohnt wie zahlreiche Kommentare zeigten und in den Dritten Programmen wurde ausführlich berichtet und Ausschnitte aus den Video landesweit gezeigt.  Die vorgeführten Tapes waren „Andromeda our fade is one“, „fluctus frangitor a saxo" und „vagina dentada“. Letzteres Tape bestand eigentlich aus zwei verschiedenen Videos. Im ersten liegt der Künstler unbekleidet unter einer großen durchsichtigen Folie in embryonaler Haltung, auf welche wechselnde Lichteffekte projiziert werden. Die Bewegungen des Protagonisten passen sich dem Licht an, gehen mit ihm mit um im nächsten Moment wieder entgegen zu laufen. Die Luft unter der Folie indessen wird immer weniger, ein verzweifelter Kampf beginnt. Das Publikum reagiert zumeist erschrocken und irritiert. Im zweiten Teil ist Sabine die Hauptperson, der Künstler hatte sie mit Körperfarbe in der Erscheinung des Himmels bemalt. Die Kamera gleitet über diesen, der gleichzeitig von Jagdflugzeugen angegriffen wird. Höhepunkt ist die „fallende Bombe", ein rohes Ei, es zerplatzt auf ihrem Schoss. Das dritte Tape ist endstanden aus alten Schmalfilmen der 70er Jahre u.a. mit Ingrid Steeger, sie würden mit der von Schanz entwickelten Methode abgetastet und schließlich befremdet, kombiniert mit anderen filmischen Experimenten des Künstler auf Schmalfilmen. 

Im gleichen Jahr nimmt Schanz an der Weihnachtsausstellung des Kunstverein teil, eine Verkaufsmesse auf der er mit drei seiner Werke vertreten ist. Etwa eine Stunde nach der Eröffnung sind alle seine Werke bereits verkauft.

Das Jahr 1989 beginnt mit einem Atelierbesuch des Mannheimer Morgen, die Redakteurin Sybille Dornseiff berichtet ausführlich über den Künstler auf dem damaligen Höhepunkt seiner malerischen Karriere, der sich jedoch entschließt sich nun gänzlich auf die neuen Medien rund um Video und Computer zu konzentrieren. Er gründet in Mannheim eine GmbH und produziert Musik- und Werbevideos, seine Filmabtastungen machen ihn bekannt. Zusätzlich arbeitet er als Freier Fotograf im Mode- und Aktbereich. 2006 wird er sich wieder ganz seiner Kunst widmen und seine Frau Sabine übernimmt die Firma.

 

Armin Schanz

(August 2020)

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